Lohn des Todes
wieder,
Conny.«
»Richtig.« Ich dachte nach. »Die Anamnese von Sonja ist nicht besonders umfangreich.«
|217| »Ich habe sie gelesen. Da hat jemand flüchtig gearbeitet. Aber nach mehr als zehn Jahren machst du da nichts mehr dran.«
»Zu schade.« Ich stöhnte leise.
»Auch wir sind Menschen. Permanent überarbeitet.«
»Ja. Glaubst du, Sonja ist missbraucht worden?«
»Schwer vorstellbar. Ihr Bericht gibt dafür keine Hinweise.«
»Laut Akte hatte sie große Verlustängste, klammerte geradezu an ihren Eltern. Warum, frag ich mich. Intakte Familie, aber
nur ein Kind. Der ganze Fokus lag auf ihr, und das hat sie möglicherweise überfordert? Könnte sie die Eherettung nach Kinderwunschbehandlung
sein? Stünde das in der Akte?«
»Danach gefragt wird natürlich. Ob es so war, kann ich aufgrund der Sachlage nicht sagen. Aber es macht mich nachdenklich.
Wie lange war das Ehepaar verheiratet, bevor das Kind kam?
»Ich weiß es nicht.«
»Kannst du es herausfinden, Conny?«
»Ja.«
»Gut. Mach das.«
Ich legte auf und grübelte weiter. Wenn Frau Kluge künstlich befruchtet worden wäre durch eine Samenspende, wäre sie die Mutter,
und es gäbe rechtlich den Ehemann als Vater. Samenspender für künstliche Befruchtungen waren damals absolut anonym. Wir hätten
kaum eine Chance, ihn zu identifizieren. Es wäre die Nadel im Heuhaufen.
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Kapitel 24
Ich rief Robert an.
»Weißt du inzwischen, wann Kluges geheiratet haben?«, fragte ich, ohne meinen Namen oder die Tageszeit zu nennen.
»Guten Abend, Conny. Wie war dein Tag?« Ich hörte das Lächeln in seiner Stimme.
|218| »Ich bin furchtbar nass geworden. War mit dem Hund im Wald, als das Gewitter losbrach.«
»Kam es überraschend?«
»Das Gewitter? Eigentlich nicht. Wieso?«
Robert seufzte. »Conny, du bist eine erwachsene, kluge, bildhübsche Frau. Aber manchmal weiß ich nicht, wie ich dich einschätzen
soll. Hast du masochistische Neigungen? Du läufst mit dem Hund in den Wald, obwohl ein Gewitter droht? Das kann durchaus gefährlich
sein.«
Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte oder gekränkt oder gar belustigt.
»Machst du dir Sorgen um mich? Musst du nicht, ich bin durchaus erwachsen und wäre eigentlich vor dem Gewitter wieder zu Hause
gewesen. Ungünstige Umstände haben mich tiefer in den Forst getrieben, als ich es erwartet hatte. Aber ich bin ja nicht aus
Zucker, und obschon durchweicht, so bin ich doch in einem Stück zurückgekehrt und habe mich inzwischen auch getrocknet und
aufgewärmt. Zufrieden?« Ich lachte leise.
»Ungünstige Umstände. Irgendetwas in mir verbietet mir, weiter in dich zu dringen und nachzufragen. Vermutlich wäre ich über
deine Antwort auch nicht begeistert.« Er seufzte wieder.
»Ich bin weit über einundzwanzig, das weißt du aber?«
»Ja, Conny.« Plötzlich klang er resigniert. »Heute ist Sonntag, und obwohl das BKA rund um die Uhr arbeitet, kommen wir bei
einigen Dingen nicht weiter. Es hat endlos lange gedauert, bis wir Daten erhielten. Kluges waren schon zehn Jahre verheiratet,
als Sonja geboren wurde.«
»Da war er Ende dreißig. Ein später Vater«, sagte ich nachdenklich.
»Eigentlich nicht. Charlie Chaplin war ein später Vater, Kluge war im Vergleich mit Chaplin fast noch ein junger Hüpfer. Aber
ich weiß, was du meinst. Seine Frau war damals Mitte dreißig.«
»Er war zu dem Zeitpunkt schon lange bei seiner Firma beschäftigt. |219| Ein sicherer Job, ein gutes Gehalt. Sie hätten auch eher ein Kind bekommen können. Vielleicht hat es nicht geklappt.«
»Irgendwann ja dann schon, Conny.«
»Ja, aber vielleicht mit Hilfe der Medizin. Samenspende? In vitro?«
Robert stieß die Luft aus. »Damit wäre Kluge nicht der biologische Vater, und die DNS würde nicht übereinstimmen.«
»Ich weiß. Ein ziemlich unangenehmer Gedanke.«
»Ziemlich. Wir würden von vorne anfangen. Wo würde ich so was erfahren können?«
»Vermutlich nur über den Arzt oder die behandelnde Klinik. Die Mutter ist tot, die Tochter ebenfalls und der Vater verschwunden.
Gibt es von ihm eine Spur?«
»Nein, nichts. Wie vom Erdboden verschluckt. Es ist zum Kotzen. Weder in den Niederlanden noch in Belgien hat er ein Flugticket
gekauft. Mit der Bahn kann er inzwischen schon quer durch Europa sein, ohne dass wir es wüssten. Interpol ist informiert,
das hilft uns gerade aber nicht weiter.«
»Kluges waren also verheiratet, und dass nur
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