Lohse, Eckart
um die Wahrheit herum, gerät in dem Moment rhetorisch völlig
aus der Bahn, da es eng für ihn wird. Sobald seine Worte nicht mehr im weiten
Raum des Wohlklangs unanfechtbar dahinschweben, wirkt Guttenberg schnell unsicher.
Bartels, im Übrigen einer der Wenigen im Untersuchungsausschuss, der den
Minister mit einer gewissen Konsequenz und Zielgerichtetheit ins Gebet nimmt,
will wissen, woher der »Spiegel« seine Informationen und ob der Minister mit
Mitarbeitern des Blattes gesprochen habe. Nach einer rhetorischen Slalomfahrt
bringt Guttenberg den Satz über die Lippen: »Ich habe in diesen Tagen mit
Sicherheit auch mal mit >Spiegel<-Journalisten gesprochen.«
Da ist die Katze also aus dem
Sack. Erst weist Guttenberg darauf hin, dass die Darstellung des »Spiegel« mit
seiner übereinstimmt, dann gibt er zu, mit Journalisten, auch solchen vom
»Spiegel«, gesprochen zu haben. Vergleicht man diese Version mit dem, was der
Minister im Dezember seinem von ihm gefeuerten Staatssekretär mehrfach
schriftlich zusicherte, nämlich strikte Vertraulichkeit über das Gespräch am 25. November
zu wahren, dann wird klar: Guttenberg hat es mit der Wahrheit nicht so genau
genommen.
Die Kehrtwende
Aus Guttenbergs Sicht könnte die
ganze Causa Kundus mit dem Rauswurf Schneiderhans und Wicherts erledigt sein.
Doch impulsiv und risikofreudig, wie der aristokratische Sponti nun mal ist,
legt er sich selbst die Latte noch einmal höher auf für einen zweiten Sprung.
Bei seinem Auftritt vor dem Bundestag am Morgen nach dem Zusammenprall mit dem
Staatssekretär und dem Generalinspekteur macht er eine folgenschwere
Ankündigung: »Ich werde selbstverständlich auch selbst eine Neubewertung der
Fälle auf der Grundlage der Berichte, die mir in einer Gesamtschau gegeben
sind, vornehmen. Auch das gehört sich.« Das steigert die Fallhöhe. Ist erst
einmal der Verdacht in der Welt, die beiden zuständigen Topleute des
Ministeriums hätten durch ihr Verhalten dafür gesorgt, dass das folgenreichste militärische
Vorgehen deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg falsch bewertet wurde,
wäre ihr Rauswurf nicht nur leichter zu erklären, sondern geradezu
selbstverständlich.
Guttenberg, der nicht als
Aktenfresser bekannt ist, braucht nicht lange, um alle ihm bis dahin noch nicht
bekannten Berichte auszuwerten. Nur eine Woche nach dem Auftritt vor dem
Bundestag am 26. November erscheint er in derselben
Angelegenheit wieder unter der Reichstagskuppel. Immerhin hat das einen schönen
Nebeneffekt. Sind die Auftritte selbst von Kanzlern oder Ministern vor dem
Hohen Haus meistens mäßig interessant, so lohnt es auf einmal wieder, dort
hinzugehen.
Zunächst baut Guttenberg einen
Schutzwall vor Oberst Klein auf. Dieser habe sein »volles Verständnis« dafür,
dass er angesichts »kriegsähnlicher Zustände« um Kundus und anhaltender
Gefechte, bei denen auch deutsche Soldaten verwundet worden seien, »subjektiv
von der militärischen Angemessenheit seines Handelns ausgegangen« sei. Jeder,
der aus der Distanz leise oder laut Kritik übe, möge sich fragen, wie er in der
Situation selbst gehandelt hätte, wirbt Guttenberg um Nachsicht mit Klein.
Dann kommt die Wende. Auch für ihn
sei es nun, aus der Distanz und ausgestattet mit zahlreichen neuen Dokumenten,
die ihm bei seiner ersten Bewertung am 6. November
noch nicht vorgelegen hätten, »viel leichter«, sich ein Urteil über die
Angemessenheit des Vorgehens Kleins zu bilden. Es folgt der Satz, mit dem
Guttenberg begründen will, warum die für ihn neuen Berichte eine andere Bewertung
erforderlich machten: »Diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem gerade benannten
Comisaf-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere
von Alternativen hin.« Entscheidend ist das Wort »deutlicher«. Guttenberg kann
nicht auf grundsätzlich neue Erkenntnisse über Kleins Verhalten verweisen. Wie
auch? Alles hatte ja schon wenige Tage, spätestens in den ersten Wochen nach
dem 4. September auf dem Tisch gelegen
und in den Zeitungen gestanden. Die Regelverstoße Kleins, die Guttenberg im
Übrigen selbst am 6. November thematisiert hatte; das
bewusste Bekämpfen und Töten von Menschen; die vermutliche Tötung ziviler
Opfer; Kleins Ausschlagen des Vorschlags der amerikanischen Bomber-Piloten,
doch erst durch Tiefflüge über den Tanklastern die Menschen zu vertreiben und
dann zu bombardieren. Guttenberg hat kein einziges starkes Argument, seine
Bewertung zu ändern.
Dennoch
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