Lohse, Eckart
tut er genau das:
»Obgleich Oberst Klein - ich rufe das auch den Offizieren zu, die heute hier
sind - zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz seiner
Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger, objektiver Sicht, im Lichte aller,
auch der mir damals vorenthaltenen Dokumente, militärisch nicht angemessen.«
Anschließend beteuert Guttenberg, dass er zwar »mit Bedauern« seine Beurteilung
korrigiere, dieses jedoch keine juristische Wertung bedeute. Auch korrigiere er
seine Beurteilung »nicht betreffend mein Verständnis bezüglich Oberst Klein«.
Dann kommt noch ein echter Guttenberg-Satz: »Das ist der Grund - das sage ich
auch an dieser Stelle -, weshalb ich Oberst Klein nicht fallenlassen werde. Das
würde sich nicht gehören.«
Der Auftritt ist objektiv
beeindruckend. Ein neuer Minister vollzieht innerhalb eines Monats auf dem
heikelsten und schlagzeilenträchtigsten Kampfplatz seiner Agenda eine 180 -Grad-Wendung.
Das Quietschen der Reifen, das bei solchen Manövern ansonsten schrill in der
Luft liegt, übertönt er durch rhetorische Solidaritätsadressen an jenen Mann,
den er gerade in schwerste Bedrängnis bringt. Oberst Klein bekommt vor dem
Deutschen Bundestag von seinem obersten Dienstherrn die Bescheinigung schweren
Fehlverhaltens und gleichzeitig die Beteuerung, er werde nicht fallengelassen.
Was aber hätte Guttenberg ihm Schlimmeres antun können als eine solche
nachträgliche Bewertung der Bombardierungen vom 4. September?
Bei alledem macht der Minister sich wieder einmal zum Gralshüter von Moral und
Anstand, indem er darauf hinweist, was sich gehört und was nicht. Am meisten
beeindruckt jedoch, dass er nicht nur den in solchen Fällen üblichen Beifall
der Abgeordneten der Regierungsfraktionen, also von CDU-, CSU- und
FDP-Parlamentariern, bekommt. Auch in den Reihen der SPD wird geklatscht.
Irgendwie entsteht der Eindruck: Der Mann kann zaubern.
Es fehlt das
starke Argument
Guttenberg argumentiert in seinen
öffentlichen Auftritten und Interviews immer gleich. Die erste Bewertung der
Bombardierungen bei Kundus sei zustande gekommen in Unkenntnis vieler
Berichte. Die Korrektur habe stattfinden müssen, nachdem ihm alle Papiere
vorgelegen hätten. Doch die Opposition will sich nicht mit Reden und Interviews
zufriedengeben. Schon bald nach dem 26. November
wird die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen.
Joschka Fischer, der einzige deutsche
Politiker der jüngeren Zeit, der einen ähnlichen Kultstatus wie Guttenberg
besaß, brauchte immerhin fast sieben Regierungsjahre, bis er es schaffte, über
die Praxis der Visumsvergabe des Auswärtigen Amtes zur »Ehre« eines
Untersuchungsausschusses zu kommen. Guttenberg ist schon nach ein paar Monaten
so weit. Erst wenn die Opposition zu der Überzeugung gelangt, dass die
Prominenz eines Themas und desjenigen, der auf die politische Anklagebank
soll, hinlänglich groß sind, damit ein Untersuchungsausschuss zumindest eine
Zeitlang die Aufmerksamkeit der Medien weckt, strengt sie ihn an. Nimmt man
den im Verlauf des Jahres 2009 raketenartigen
Aufstieg Guttenbergs als Maßstab, so ist es keine Frage, dass er nicht nur im
Wahlkampf die Menschen in die Bierzelte und schließlich an die Wahlurnen ziehen
kann, sondern auch in einem Untersuchungsausschuss einige Attraktivität
entwickeln wird.
Erst am 22. April 2010 vernimmt
der Ausschuss den Zeugen Guttenberg. Der schleicht nicht, gedrückt von der Last
der Vorwürfe, zu seinem Platz, sondern schreitet um 14 Uhr ge wohnt
dynamisch in den Saal. Mit einer gewissen Zufriedenheit in den Gesichtszügen
sieht er, dass die wie ein Balkon über den Ausschussmitgliedern angeordneten
Bänke für die Journalisten zum Bersten gefüllt sind. Kaum hat die Ausschussvorsitzende
Susanne Kastner von der SPD ihn begrüßt und belehrt über die Verpflichtung, die
Wahrheit zu sagen, hat ihn auf die ansonsten drohende Freiheitsstrafe von bis
zu fünf Jahren hingewiesen, da hat Guttenberg fast ohne eigenes Zutun
anerkennende Heiterkeit der Anwesenden auf seiner Seite. Kastner nämlich
fordert ihn auf, seinen vollständigen Namen zu nennen. Weil alle Anwesenden
wissen, dass er nun seine zehn Vornamen aufzählen müsste, wird spontan gelacht.
Ganz gespielte Demut, fragt der Zeuge Guttenberg, ob er auf Vornamen verzichten
dürfe - und tut es prompt. »Mein Name ist Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg.«
In den Monaten zwischen dem
Rauswurf Schneiderhans und Wicherts und dem Auftritt vor
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