Lohse, Eckart
einem Ansatz auf, der geradezu
erpresserisch genannt werden kann. Wenn er denn sparen solle wie verlangt,
nämlich in einer Größenordnung von 40000 Zeit- und Berufssoldaten, dann sei
die zwingende Folge die Abschaffung der Wehrpflicht, erklärt er kategorisch.
Das Zitat eines Sitzungsteilnehmers macht die Runde, Guttenberg habe sich wie
ein »Rumpelstilzchen« aufgeführt. Auch von Rücktrittsdrohungen des Ministers,
der eben ein halbes Jahr im Amt ist, ist die Rede. Lachend soll ein Teilnehmer
gesagt haben, nun habe er »wieder« mit seinem Rücktritt gedroht.
Aus der CDU schallt Guttenberg
nach seinem Auftritt in der Sparklausur der Vorwurf entgegen, er habe kein
durchdachtes Konzept für eine Bundeswehrreform und auch keine Zahlen
vorgelegt. Über seinen Auftritt gibt es viel Kopfschütteln unter
Kabinettsmitgliedern, aber auch bei Beamten und anderen Teilnehmern. Guttenberg
sei nach der Methode »trial and error« vorgegangen, berichtet später ein Kabinettsmitglied.
Erst habe er seine Sparbereitschaft angekündigt, dann aber
gesagt, ohne Abschaffung der Wehrpflicht könne er nicht sparen. »Das geht
nicht«, habe Guttenberg aufgebracht in den Saal gerufen. Wer kritisch
nachfragt, wie etwa Innenminister Thomas de Maiziere, dem fährt Guttenberg über
den Mund. Auf manche wirkt seine Argumentation alles andere als stringent. Nach
seiner Feststellung, die Wehrpflicht müsse fallen, wenn er 40000 Zeit- und
Berufssoldaten einsparen solle, kommt die Frage, wie viele von diesen denn
durch die Ausbildung der Wehrdienstleistenden gebunden würden. 12000 sei die
Antwort des Ministers gewesen. Die Entgegnung, dann seien ja noch weitere 28 000 übrig, die
an anderer Stelle entfallen müssten, kann er nicht entkräften. Auch eine
Absprache mit Familienministerin Kristina Schröder, was denn aus dem
Zivildienst werde, wenn die Wehrpflicht falle, hat es vor der Klausur nicht
gegeben. Sein Umgang mit dem Thema Wehrpflicht wird später so bewertet werden:
»Er hat die richtige Nase gehabt, aber keinen Plan.«
Die Bundeskanzlerin ist zwar nicht
begeistert von Guttenbergs Vorgehen. Aber dennoch gehört sie nicht zu den lautstarken
Kritikern. Das kann sie auch nicht, denn sie weiß frühzeitig, was Guttenberg
auf der Klausur präsentieren wird, allerdings nicht, mit welcher Wucht er das
tun wird. In einem fast zweistündigen Gespräch im Gästehaus der Regierung in
Meseberg hatte Guttenberg ihr und Kanzleramtsminister Pofalla am Samstag vor
der Klausur mitgeteilt, dass er entschlossen sei, der Wehrpflicht zu Leibe zu
rücken. Allerdings sagt Merkel beim gemeinsamen Frühstück der Unions-Teilnehmer
vor der Sparklausur auch, was nicht geht: die Wehrpflicht nur aus finanziellen
Gründen abzuschaffen. Guttenberg fehlt bei dieser Vorbesprechung. Während der
Klausur sind Merkel und Schäuble diejenigen, die sich vorsichtig auf
Guttenbergs Seite stellen.
Hat der wenig erfahrene, nicht mal 40 Jahre alte Karl-Theodor zu Guttenberg sich vergaloppiert?
Sicher, er ist etwas ungestüm vorgegangen. Allerdings ist er alles andere als
naiv, er weiß, wie eine Provokation gelingt. Was sein Ressort angeht, so wäre
wohl nur die Forderung, aus der Nato auszutreten oder einen Angriffskrieg gegen
Frankreich vorzubereiten, noch besser geeignet, die eigene Regierung auf die
Palme zu bringen. Guttenbergs politische Sensoren funktionieren gut genug, um
zu erkennen, was ein kühner, aber nicht unrealistischer Vorschlag und was
politischer Irrsinn ist. Er ist der Überzeugung, dass die Beendigung der
Wehrpflicht kühn, aber machbar ist.
Guttenberg besitzt auch hier eine
scharfe Witterung. Die Methode, mit der er seine politischen Erfolge erzielt,
ist nicht das lange Anlaufnehmen auf ein Amt oder ein inhaltliches Ziel. Nicht
Beharrlichkeit und die Fähigkeit, auch nach der fünften Niederlage wieder
aufzustehen und weiterzukämpfen, zeichnen ihn aus, sondern ein bislang sehr
sicherer Instinkt. Hat der ihn diesmal nicht getrogen? Die eigene Partei und
die CDU beschimpfen Guttenberg, und nur die Wehrpflichtgegner von der FDP
klatschen. Das Kabinett trifft trotz seines großzügigen Sparangebots keine
Entscheidung zur Bundeswehrreform inklusive Ausstieg aus der Wehrpflicht. Aber
es gibt ein ausgesprochen wichtiges Signal zu seinen Gunsten von höchster
Stelle. Bundeskanzlerin Merkel spricht zwar während der Klausur auch deutliche
Worte zu Guttenberg. Doch bleibt ihr Kommentar weit hinter dem Seehofers
zurück. Sie kündigt eine »großangelegte
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