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Lohse, Eckart

Lohse, Eckart

Titel: Lohse, Eckart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guttenberg Biographie
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von ihm angestrebte Westbindung der
Bundesrepublik. Er fürchtete, Deutschland könnte zwischen die Fronten geraten,
wenn es sich nicht fest und eindeutig auf die Seite des Westens stellte - militärisches
Engagement eingeschlossen. Bei Strauß war darüber hinaus der Wunsch,
Verteidigungsminister zu werden, ein nicht unerhebliches Motiv.
    Die Wiederbewaffnung stieß in der
Bundesrepublik auf viele Probleme und auf politischen wie gesellschaftlichen
Widerstand bis weit in die Unionsparteien hinein. Der Krieg mit all seinem
Grauen war in der Nachkriegsgesellschaft noch sehr präsent. Wie bei der
Aufstellung der Bundesministerien, so war es aber auch im Falle der Armee kaum
möglich, auf die Soldaten der ehemaligen Wehrmacht Hitlers ganz zu verzichten.
Man brauchte Expertise, wollte man schnell eine schlagkräftige Truppe
aufbauen. Sollte die junge Bundesrepublik, die ein demokratisches Staatswesen
werden wollte, aber wirklich mit Hitlers Offizieren weitermachen, als sei
nichts gewesen?
    Erschwerend kam hinzu, dass 1954 der
Versuch scheiterte, eine deutsche Armee in ein europäisches System einzubinden,
nach dem Vorbild der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der
späteren EG und heutigen EU. Paris wollte eine solche EVG, eine Europäische
Verteidigungsgemeinschaft, am Ende nicht. Jahre waren verstrichen, der Druck
zur Aufstellung deutscher Truppen weiter gewachsen. Mit dem Nein der Franzosen
zur EVG war klar, dass die Bundesrepublik der Nato beitreten würde. Das geschah 1955. In der Angst, ein dritter Weltkrieg stehe bevor,
wollte Washington eine halbe Million deutscher Soldaten bis zum Ende der
fünfziger Jahre aufgestellt sehen.
    Am 12. November 1955 fand in
der Bonner Ermekeilstraße endlich der Gründungsakt der Bundeswehr statt.
Verteidigungsminister Theodor Blank, ein Gewerkschafter und CDU-Mitbegründer
vom Arbeitnehmerflügel, hatte 101 Soldaten,
nur zwölf davon in Uniform, in die Kraftfahrzeughalle der sogenannten
Dienststelle Blank kommen lassen. Diese war der Vorläufer des späteren
Verteidigungsministeriums. 18 ehemalige
Oberstleutnants waren dabei, 30 Majore und 40 Hauptleute aus der Wehrmacht. An der Spitze dieses
Trüppchens standen die Generale Hans Speidel und Adolf Heusinger. Letzterer
bezeichnete die Veranstaltung nicht zu Unrecht als »Schaunummer«.
    Diese etwas holprige Gründung der
Bundeswehr wurde von dem CDU-Mann Blank nicht von ungefähr auf den 200. Geburtstag
des Ahnherrn der Wehrpflicht, General Scharnhorst, gelegt. Das war ein
deutliches Symbol dafür, dass er eine Armee wollte, die aus »Bürgern in
Uniform« besteht, nicht aus einer verschworenen Schar von Berufssoldaten. Das
war das politische Argument für eine Wehrpflicht, das auch von den Parteien
zunächst übergreifend geteilt wurde. Der Historiker Hans-Peter Schwarz
schreibt: »Eigentlich war man sich im Bundestag anfänglich einig gewesen, dass
schon aus innenpolitischen Gründen nur eine Armee von Wehrpflichtigen,
eingefügt in die Kader von Berufssoldaten, in Frage komme. Die Reichswehr in
der Weimarer Republik hatte nur deshalb zum Staat im Staat werden können, weil
sie eine reine Berufsarmee gewesen war.«
    Mithin gab es Mitte der fünfziger
Jahre zwei gute Argumente für die Wehrpflicht: ein politisches vor dem Hintergrund
der jüngsten deutschen Geschichte und ein praktisches, denn per Wehrpflicht war
es möglich, eine große Armee aufzustellen, ohne im Übermaß auf ehemalige
Soldaten der Wehrmacht zurückgreifen zu müssen. So war das Ziel, die Plangröße
von 485000 Mann nur mit einer
Wehrpflichtigenarmee zu erreichen. Auf diese Weise wollte man auch sicherstellen,
dass dauerhaft frische Personalreserven verfügbar waren.
    Gab es unter den Parteien zunächst
einen Konsens über die Einführung der Wehrpflicht, so sollte sich das 1956, als es auf
die Entscheidung im Bundestag zuging, ändern. Denn SPD und Teile der FDP
entdeckten die Attraktivität einer Berufsarmee. Als Grund nannten sie das
geänderte Verteidigungskonzept der Nato, das einen frühzeitigen Einsatz von
Atomwaffen vorsah. In ein solches Szenario wollten die plötzlich erwachten
Wehrpflichtgegner den »Bürger in Uniform« nicht hineinziehen. Vielleicht war es
auch der heraufziehende Wahlkampf des Jahres 1957, für den man
sich mit einer Abkehr von der in der Bevölkerung wenig beliebten Pflicht rüsten
wollte, um endlich der Union und Kanzler Adenauer etwas entgegensetzen zu
können. Jedenfalls kam es nach einer schier endlosen Debatte

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