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Lohse, Eckart

Lohse, Eckart

Titel: Lohse, Eckart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guttenberg Biographie
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durchaus mit dem Ehrgeiz antritt,
aus den Koalitionsverhandlungen mit einem herausgehobenen Amt hervorzugehen.
    Die Einigung der angeblichen
Wunschkoalitionäre ist ein gequältes Sowohl-als-auch. Erst später wird sich
herausstellen, dass die FDP ihrem Ziel viel näher gekommen ist, als es
zunächst aussieht. Die Koalition einigt sich zwar darauf, an der
Wehrpflicht festzuhalten. Allerdings soll sie von neun auf sechs Monate
verkürzt werden. Kaum ist das beschlossen, befürchten im
Verteidigungsministerium die Anhänger der Wehrpflicht, deren Totenglöckchen
werde nun geläutet. Tatsächlich wird es später so kommen, und die FDP kann
einen ihrer nicht eben zahlreichen Erfolge in der Zusammenarbeit mit der Union
verbuchen.
    Doch der neue Minister hat erst
einmal andere Sorgen, ihm fliegen die Splitter der Bomben von Kundus um die
Ohren. Die Strukturreform der Bundeswehr muss warten. Immerhin wird eine
Kommission unter Leitung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit und Obersten
der Reserve, Frank-Jürgen Weise, eingesetzt, die sich mit dem Umbau der
Bundeswehr und des Ministeriums beschäftigen soll. Guttenberg geht zunächst
den im Koalitionsvertrag vorgezeichneten Weg und arbeitet auf die sechsmonatige
Wehrpflicht hin. Ende März 2010 legt er
den Koalitionsfraktionen einen entsprechenden Gesetzentwurf vor und präsentiert
ihn mit der ihm eigenen Wucht. »In sechs Monaten kann ein erstklassiges Ausbildungs-
und Tätigkeitsfundament geschaffen werden, das für viele Funktionen in der
Bundeswehr ausreicht.« Schließlich solle niemand in einem halben Jahr »bereits
zum General ausgebildet werden«. Keines von seinen Worten deutet auf das
spätere Ende der Wehrpflicht hin. Im Gegenteil. Guttenberg droht dem
Koalitionspartner sogar mit einem Festhalten an der neunmonatigen Dienstzeit:
»Mit mir ist die Abschaffung der Wehrpflicht nicht zu machen. Sollten aber
einige in der FDP tatsächlich versuchen, die Verkürzung der Wehrdienstzeit
etwa zu verzögern oder das Konzept inhaltlich so zu verwässern, dass es einem
Ausstieg immer näher käme, dann würden sie damit etwas ganz anderes erreichen:
Dann bleibt es bei der bestehenden Rechtslage und damit bei einer Wehr- und
Zivildienstpflicht von neun Monaten, die allerdings auch zu optimieren wäre.«
     
    Exkurs: Die
Union und die Wehrpflicht
     
    Die Wehrpflicht hat in Deutschland
eine lange Tradition. Sie geht auf den preußischen Heeresreformer Scharnhorst
zurück. Ein Jahr nach seinem Tod, 1814, wurde sie
als allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Im 19. Jahrhundert
wurde sie zwar beibehalten, aber das Ideal des für die Freiheit kämpfenden
Staatsbürgers blieb auf der Strecke. Auch die Massen deutscher Soldaten, die
vor Verdun starben, waren Wehrpflichtige. In den Materialschlachten des Ersten
Weltkriegs wurden die Männer geradezu verheizt. Die Weimarer Republik versäumte
es, sich eigene, loyale Streitkräfte zu schaffen. Die Reichswehr als kleine
Berufsarmee lieferte sich 1933 Hitler
aus. Der kehrte zur Wehrpflicht zurück und führte mit ihr den Zweiten
Weltkrieg - unter anderem gegen Stalins Rote Armee. Auch sie war eine
Wehrpflichtigenarmee. Das zeigt, dass das politische System für den Charakter
einer Armee wichtiger ist als die Form der Rekrutierung der Soldaten. Um es
zuzuspitzen: Die Berufsarmee eines demokratischen Staates ist der Wehrpflichtarmee
einer Diktatur allemal vorzuziehen.
    Auch in der Nachkriegszeit lässt
sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen politischem System, Wehrpflicht
und Charakter der Truppe herstellen. Die Vereinigten Staaten verzichten seit 1973 darauf,
ihren hohen Bedarf an Soldaten durch einen staatlichen Pflichtdienst zu decken.
Der Vietnamkrieg wurde also mit einer Wehrpflichtigenarmee begonnen, aber nicht
beendet. Hätte der zweite Irakkrieg nicht stattgefunden, wenn die Wehrpflicht
in Amerika noch gegolten hätte? Wohl kaum. 23 der 28 Nato-Armeen
kommen ohne Wehrpflicht aus. Es wäre nicht überzeugend, sie entlang dieser
Grenze in aggressivere und weniger aggressive zu unterscheiden.
    Die Unionsparteien betrachten die
Bundeswehr, durchaus zu Recht, als ihr »Baby«. Als die Amerikaner mit dem Ausbruch
des Koreakrieges 1950 Druck auf die junge deutsche
Demokratie machten, eigene Streitkräfte aufzustellen, um der Bedrohung durch
den Kommunismus zu begegnen, waren es vor allem der CDU-Kanzler Konrad Adenauer
und der CSU-Politiker Franz Josef Strauß, die die Bundeswehr mit Macht auf den
Weg brachten. Adenauers Motiv war die

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