Lohse, Eckart
man
später oft erleben wird. Er eilt durch die Halle nach vorne, besteigt und
verlässt die Bühne springend, macht Scherze über das Trinken von Bier während
seiner Reden. Auch rhetorisch ist der Mann im Wahlkampf 2009 nach nur
wenigen Monaten als Wirtschaftsminister schon eine weitgehend komplette,
fertige Erscheinung, als habe er sich über Jahre darauf vorbereitet und
gewartet, dass endlich der Startschuss für die große Guttenberg-Show falle.
Sein Lieblingswort ist Demut. In dieses Thema führt er in Wolfenbüttel mit
einem Auftakt ein, den er oft wiederholen wird. Der vielbeschäftigte Star ist
zwar nur einen kleinen Moment später als angekündigt in der mit vielleicht 500 Menschen
voll besetzten Halle. Dennoch bittet er um Nachsicht dafür, dass er zu spät
sei. Das ist ein Hinweis auf sein Verständnis von Erziehung und Benehmen, zu
dem es nun mal gehört, stets exakt pünktlich zu sein. Es folgt ein kleiner
Witz, mit dem er auf die sozialdemokratische Gesundheitsministerin Ulla
Schmidt zielt, die in jenen Tagen für Aufsehen sorgt, weil sie ihren
Dienstwagen nebst Fahrer mit in den Spanienurlaub genommen hat, wo ihr das Auto
gestohlen wurde. Er sei nicht verspätet, weil er seinen Dienstwagen nicht
gefunden habe - erste Heiterkeit im Saal -, sondern weil er in
Baden-Württemberg einen Mittelständler besucht habe. In wenigen Minuten ist
schon alles für einen gelungenen Auftakt getan: leichte Verbeugung vorm
Publikum, Ohrfeige für den politischen Gegner, Arbeitsnachweis als
Wirtschaftsminister. Der Saal gehört ihm.
Ein gutes Wort des jungen
Ministers über den nicht mehr ganz jungen Bundestagsabgeordneten Fromme rundet
die Sache ab: Da breche auch dem Jüngeren »kein Zacken aus der wohlpolierten
Krone«, wenn er den Älteren lobe. Die Sorge, dass ihm seine aristokratische
Herkunft irgendwann auf die Füße fallen könnte, bewegt Guttenberg von Anfang
an.
Schließlich sind viele Mitglieder
der Union ähnlich stolz wie die Genossen von der SPD darauf, sich aus einfachen
Verhältnissen nach oben gekämpft zu haben. Guttenberg will nicht als reich
geborener Schnösel dastehen, der nur aus Langeweile mal ein bisschen
politisiert. Vor den Menschen in Wolfenbüttel erklärt er, was er unter Demut
versteht, und fügt hinzu, dieser Begriff werde nicht immer mit den Guttenbergs
in Verbindung gebracht. Das sagt mehr über sein eigenes Empfinden aus als
über tatsächliche Bedenken seines Publikums. Denn die meisten im Saal dürften
den Namen Guttenberg noch nicht lange kennen und gar nicht die Gelegenheit
gehabt haben, die Familie für nicht demütig oder gar für hochmütig zu halten.
Bevor der Wirtschaftsminister auf
sein Thema zu sprechen kommt, geht es weiter um seine Person. Rankings von
Politikern seien nur »Momentaufnahmen, Wimpernschläge«, versucht er sich in
Bescheidenheit. Ein Politiker solle sein Handeln nicht danach ausrichten, ob
er in irgendwelchen Popularitätskurven oben auftauche. Es gelte, die Arbeit zu
machen und nicht nach der nächsten Stufe auf der Karriereleiter zu schauen, man
dürfe sich nicht immer nur im Lichte der Sonne sehen, dürfe beim persönlichen
Fortkommen nicht nur an den kommenden Wahltag denken und so weiter, und so
weiter. Zehn Minuten spricht Guttenberg nur über Guttenberg, versucht, sich
nach unten zu schrauben vor einem Publikum, das offenbar nur eines will: dass
er oben bleibt und noch höher aufsteigt.
Beliebtheit ist
noch keine Macht
Jemand, der zwischen 2002 und 2009 in der CSU
nach oben kommt und politische Erfahrungen sammelt, wie es Guttenberg tut,
weiß, wie vergänglich die Macht ist. Er hat erlebt, wie Edmund Stoiber um
Haaresbreite als erster CSU-Politiker Kanzler der Bundesrepublik Deutschland
geworden wäre, wie er wenig später die Sensation vollbrachte, für die CSU die
Zweidrittelmehrheit im Bayerischen Landtag zu erkämpfen, wie er anschließend
den Zug nach Berlin verpasste, seinen Parteifreunden damit die politische
Zukunft vermasselte, von ihnen gejagt, gehetzt und schließlich zur Strecke
gebracht wurde. Das alles in wenigen Jahren. Guttenberg weiß zudem, dass
Stoiber echte Macht besaß, erkämpft im Laufe vieler Jahre und Jahrzehnte,
verbunden mit Niederlagen und neuen Anläufen - so, wie nachhaltige Macht nun
mal entsteht. Und er ist sich in jenen Jahren 2009 und 2010, als sein
Aufstieg an die Spitze stattfindet, bewusst, dass er zwar beliebt, aber noch
nicht mächtig ist.
Auf seinem Weg nach oben hat
Guttenberg nicht über die
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