Lohse, Eckart
nicht durchdrungen.
Wie eine von ihm vorgeschlagene »geordnete Insolvenz« aussehen sollte, habe er
nicht erläutern können. Arbeitsminister Olaf Scholz von der SPD, als ehemaliger
Wirtschaftsanwalt mit Insolvenzen bestens vertraut, ist nach dem Treffen
aufgebracht. Was Guttenberg da rede, sei ihm offenbar selbst nicht klar, soll
er hinterher getobt haben. Scholz setzt sich hin und arbeitet einen
dreiseitigen Fragenkatalog für Guttenberg aus.
Zwei Tage später, am Freitag,
trifft man sich am Abend wieder im Kanzleramt - zur entscheidenden zweiten
Nachtsitzung, in der über die Hilfe für Opel entschieden werden soll.
Inzwischen ist viel geredet worden, Bundeskanzlerin Merkel hat am Nachmittag
noch einmal mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama telefoniert. Die
Fachleute beginnen kurz nach 18 Uhr mit
der Überprüfung des Konzepts des Investors Magna. Nach 20 Uhr
verhandeln die Bundeskanzlerin, die zuständigen Minister ihres Kabinetts und
die Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Standort mit den Unternehmen, die
ihre Rettungsangebote unterbreiten. Es ist schon klar, dass die Bundesregierung
und die Ministerpräsidenten auf den Einstieg von Magna setzen. Doch die
Verhandlungen ziehen sich hin. Es geht auch darum, dass deutsche Steuergelder,
die für den Überbrückungskredit verwendet werden, nicht nach Amerika fließen
sollen. Das Verhalten der Unternehmen, die ihre Rettungsangebote unterbreiten,
stößt nicht nur auf das Wohlwollen der deutschen politischen Unterhändler.
»Wir unterstützen Ihr Angebot nicht wegen, sondern trotz Ihres Auftritts«, ist
ein Satz, der einem besonders selbstbewussten Unternehmensvertreter als
Kommentar entgegengeschleudert wird. Die Stimmung ist angespannt.
Weit nach Mitternacht werden die
Teilnehmer dieser denkwürdigen Nacht in den großen Kabinettssaal gerufen. Teilnehmer
der Sitzung werden berichten, aus Guttenbergs Einlassungen sei über Stunden
nicht hervorgegangen, dass er keine staatliche Unterstützung für Opel wolle,
vielmehr eine Insolvenz für eine Lösung halte. Erst zum Ende der Debatte
spricht sich herum, dass der CSU-Mann sich tatsächlich querstellt. Die
Kanzlerin und die meisten in der Runde sind aber gegen eine Insolvenz. Sie
glauben, dass sie im Chaos enden würde und dass sie deshalb verhindert werden
muss. Nur Guttenberg sieht das anders. Die Magna-Lösung halte er »für nicht
tragfähig« und werde sie wegen der Risiken für den Steuerzahler »nicht
mittragen«. Magna trage kein Risiko, das Ausfall-Risiko für den Steuerzahler
aber sei sehr hoch. Guttenberg warnt »vor einem Weg in die Erpressbarkeit«.
Alle sind überrascht. Vielen ist
klar: Wir stecken in einer Krise. Man steht in Gruppen zusammen, Guttenberg mit
Merkel und den Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Roland
Koch und Jürgen Rüttgers. Beide wollen auf keinen Fall nach Hause zurückkehren
mit der Botschaft, sie hätten staatliche Hilfe für Opel nicht durchsetzen
können. Koch, der profilierteste Wirtschaftspolitiker der Union, hält
Guttenberg schlicht für zu unerfahren. Der sei ja noch feucht hinter den Ohren,
klagt er gegenüber Vertrauten. Er, aber auch Rüttgers reden eindringlich auf
den jungen Minister ein. »So geht das nicht!«, beschwören sie ihn. Sie machen
ihm klar, dass eine Ablehnung durch den zuständigen Ressortchef nicht ohne
Konsequenzen bleiben könnte. Was sie damit meinen, ist klar: Guttenberg müsste
gehen, kaum dass er sein Amt angetreten hat. Das versteht auch der Minister
sehr genau. Er hat klargemacht, dass er das Vorhaben auch dann nicht
unterstützen würde, wenn der Verlust seines Amtes die Folge wäre. Das Angebot
eines Rücktritts ist das oder vielmehr die Androhung. Einen derart beliebten
Minister will vor allem die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin kurz vor der
Bundestagswahl keinesfalls verlieren. Sie geht auf Guttenbergs Angebot nicht
ein.
Kanzleramtschef Thomas de
Maiziere, Koch, Rüttgers und andere Unions-Politiker aus der Runde versuchen
Guttenberg zu überzeugen, dass er seine abweichende Meinung nicht nach außen
deutlich machen darf. Es könne nicht sein, dass die Regierung, nachdem eine
Entscheidung getroffen worden ist, mit unterschiedlichen Meinungen an die
Öffentlichkeit gehe. Ein ums andere Mal macht man ihm klar, dass dies gegen
alle Regeln des politischen Geschäfts sei. Guttenberg besteht aber darauf,
dass er den Bürgern erklären wird, dass er anderer Meinung ist. »Ich werde
klarstellen, dass ich dagegen
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