Lokalderby
einer breiten Pfanne mit hohem Rand erhitzte, um die Zwiebeln und den Knoblauch darin glasig zu dünsten.
Jan-Patrick arbeitete mit einer Leichtigkeit, um die ihn Paul beneidete, und erklärte: »Nun gebe ich das Hackfleisch dazu, würze es mit Salz und Pfeffer und lasse es krümelig braten. Anschließend das vorbereitete Gemüse hinein und gute fünf Minuten blanchieren.«
Paul musste sich beeilen, um hinterherzukommen, denn für jeden Handgriff, den Jan-Patrick mit geübter Routine erledigte, brauchte er doppelt oder dreimal so lang. Die Garphase nutzte er daher als willkommene Verschnaufpause, tupfte sich die vom Küchendunst und der ungewohnten Tätigkeit feuchte Stirn mit einem Taschentuch und meinte: »Was wird bei deinen Gästen denn so geredet über die Club-Sache?«
»Über den toten Busfahrer?«, wusste Jan-Patrick sofort Bescheid.
»Genau. Das ist doch sicher ein Thema bei deiner Kundschaft.«
»Ich belausche meine Gäste nicht«, sagte der Koch mit einem vielsagenden Grinsen. »Aber wenn ich zufällig mal etwas aufschnappe, klingt es schon sehr interessant. In der Gerüchteküche brodelt es ja mehr als in meinen Töpfen!«
»Gehen die Gerüchte in eine bestimmte Richtung?«
»Das kann man so sagen, ja. Wenn die Gespräche um den Fahrer Buggi kreisen, dann fast immer auch um das Lokalderby. Die meisten meiner Stammkunden sind ja eher Club-Fans, und der ein oder andere glaubt, den Schwarzen Peter den Fürthern zuschieben zu können.«
Paul winkte ab. »Habe ich auch schon gehört. Aber was ergäbe das für einen Sinn? Dann hätte sich der Killer besser einen der Nürnberger Kicker vornehmen sollen anstelle des Fahrers.«
»Meinst du? Das sehe ich anders: Durch den Tod von Buggi, der ja überaus beliebt war und von der Mannschaft hoch geschätzt wurde, ist das ganze Team geschwächt worden. Die Trauer und allgemeine Verstörtheit nach Buggis Ableben bremst die Clubberer in ihrem Elan . . .«
». . . und verpasst den Fürthern genau den Motivationskick, den sie benötigen, um die Nürnberger zu schlagen«, folgerte Paul und schüttelte entschieden den Kopf. »So komplex denkt doch kein normaler Meuchelmörder. Völliger Blödsinn. Abgesehen davon haben die Fürther das gar nicht nötig.«
»Wenn das alles Blödsinn sein soll, wie erklärst du dann die Kleeblätter, die man Buggi in den Rachen gestopft hat?«, fragte Jan-Patrick und wippte dabei auf seinen Zehenspitzen, um mit Paul auf Augenhöhe zu sein.
Der hob die Brauen. »Ach, hat sich das inzwischen herumgesprochen? – Hoffentlich bringt Blohfeld nichts davon in seiner Zeitung. Das könnte einen weiteren Mord auslösen: die Lynchrache der Nürnberger.«
»So weit darf es nicht kommen«, meinte der Koch und rührte im wohlduftenden Ratatouille. Er gab geachtelte Tomaten, Wein und eine hohle Hand Kräuter hinzu. »Jetzt lassen wir das Ganze noch eine Weile schmoren.«
Für Paul bot sich damit die Gelegenheit, seine Fotoprints vorzuzeigen. Dazu wischte er mit dem Zipfel seiner Schürze Gemüsereste von einer Ecke der Arbeitsplatte und legte die Bilder aus, die griffbereit in seiner Hosentasche gesteckt hatten. »Schau mal: Kommt dir eine von den Figuren darauf bekannt vor?«
Dem nicht uneitlen Jan-Patrick schien es etwas peinlich zu sein, eine Lesebrille auf die Nase zu setzen. Zumindest zierte er sich, bevor er das schmale Gestell aus einem Etui nahm. Schließlich beugte er sich über die Fotoauswahl und raunte: »Na sicher. Den Bronski zum Beispiel, hohes Tier beim Club. Und dahinter sind noch andere vom Personal: Der rechts ist Masseur oder vielmehr Physiotherapeut. Den daneben habe ich auch schon mal bei mir im Gastraum gesehen, ich glaube, der Fanbeauftragte. . .«
Ein kräftiger Schlag auf seine Schulter riss Paul aus der Konzentration. Als er sich umwandte, blickte er in das wie stets fröhlich freche Gesicht seiner Stieftochter.
»Hannah!«, rief er überrascht. »Was treibt dich denn hierher?«
»Der Hunger«, sagte sie ohne zu zögern. »Es roch so gut, als ich vorbeikam.«
Jan-Patrick nahm das als Kompliment und lud sie spontan ein, gemeinsam mit ihnen das Bratwurstratatouille zu kosten: »In fünf Minuten ist es fertig!«
Paul fühlte jedes Mal so eine Art Vaterstolz, wenn er Hannah sah, auch wenn sie nicht sein leibliches Kind war. »Kind« war sowieso der völlig falsche Ausdruck, denn aus der frechen Göre Hannah war längst eine selbstbewusste und sehr attraktive Frau geworden. Und nun, am Ende ihres Studiums sowie
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