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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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sich ein böses Lächeln in seinem Gesicht aus. Keine Frage: Der Mann beherrschte sein Auto. Aber taten das andere Fahrer auch, die arglos durch die Nacht kutschierten und nicht damit rechnen konnten, dass der Norisring auch außerhalb der Saison als Rennpiste benutzt wurde? Paul war himmelangst, denn jederzeit konnten sie von einem anderen Fahrzeug geschnitten werden, das ihr Tempo unterschätzte.
    »Machen Sie mal halblang!«, forderte er Sakowsky auf. »Sie könnten geblitzt werden.« Das zählte zwar zu Pauls kleinsten Sorgen, doch hoffte er, dass dieses Argument bei Sakowsky ziehen und ihn zur Vernunft bringen würde.
    Doch der gab nur noch mehr Gas. Röhrend schoss der Ferrari in die gefürchtete Haarnadelkurve, die während der offiziellen Rennen mit hohen Leitplanken und Reifenstapeln ausgestattet war, um die schlimmsten Folgen von Kollisionen abzumildern, nun aber erschreckend ungeschützt vor ihnen lag.
    Pauls Hemd klebte ihm schweißnass am Körper, während Sakowskys Spaß an der Kamikazefahrt immer mehr zu wachsen schien. Er lachte auf wie ein Kind vor der Playstation, als er einem VW-Bus auswich, der plötzlich vor ihnen auftauchte. Mit quietschenden Reifen überholten sie den Transporter und donnerten in die nächste Runde.
    »Hören Sie auf damit!«, befahl Paul, der nun ernsthaft um Leib und Leben bangte. »Sonst erwischt Sie die Polizei und Ihr Lappen ist weg!«
    Sakowsky ignorierte ihn, schaltete in schneller Folge, um die nächste Kurve zu nehmen. Es war lediglich der guten Bodenlage des Sportflitzers zu verdanken, dass sie nicht mit zwei Rädern abhoben und sich womöglich überschlugen, dachte Paul.
    »Was wollen Sie mir mit diesem Irrsinn beweisen?«, schrie er gegen den Motorenlärm an.
    Diesmal erreichte er eine Reaktion: Kaum hatte er die Frage gestellt, ging Sakowsky vom Gas. Er setzte den Blinker und fuhr rechts ran.
    Während Pauls Herz noch wie ein Trommelwirbel schlug und er hektisch atmete, war der Fußballer die Ruhe in Person. Er sah Paul aufmerksam an und sagte: »Ich wollte beweisen, dass ich ernst mache, wenn’s drauf ankommt. Ich dulde keine Nebenbuhler. Du lässt Svetlana ab jetzt in Ruhe, haben wir uns verstanden?«
    »Ja«, keuchte Paul. »Klar und deutlich.«
    Sakowsky nickte mit grimmiger Zufriedenheit und gab Paul die Gelegenheit, sich aus dem Schalensitz zu hieven. Sobald er ausgestiegen war, trat Sakowsky wieder aufs Pedal und ließ Paul in einer Wolke schlecht verbrannten Benzins stehen.

8
    Der Duft nach frischem Bohnenkaffee weckte ihn und entschädigte Paul zumindest ein kleines bisschen für das verkorkste Ende des gestrigen Abends im Abgasnebel. Katinka zeigte sich bereits fertig für den Arbeitstag, tipptopp sah sie aus in ihrem Kostüm, das gleichzeitig businesslike und figurbetont war. Sie hatte den Frühstückstisch gedeckt, und als sich Paul – unrasiert und im Schlabberpyjama – gähnend setzte, huschte ihr ein Lächeln über die Lippen.
    »Eigentlich wollte ich dir eine Standpauke halten, so spät, wie du gestern Nacht heimgekommen bist. Doch wenn ich dich jetzt so sehe – mein großer, alter Teddybär: einfach zum Knuddeln.« Sie beugte sich vor und kniff ihm in die Wange.
    Teddybär? Paul fand diesen Vergleich wenig schmeichelhaft, konnte aber damit leben, wenn ihm das ein Kreuzverhör ersparte. Denn er hatte wenig Lust, die Einzelheiten seiner unergiebigen Recherchetour vor Katinka auszubreiten. Also griff er in den Brötchenkorb, dann zu Butter, Marmelade und zum Kaffee.
    Das gemeinsame Frühstück verlief friedlich, denn die Themen blieben unkritisch. Kurz plauderten sie über Han-nah, anschließend über seine Eltern. Hertha ging es allmählich wieder besser, was beide beruhigte. Denn Mutti und Vati hatten mittlerweile ein Alter erreicht, in dem man darüber nachdenken musste, wie es auf Dauer weitergehen sollte. Dank der schnellen Genesung seiner Mutter konnten sie Planspiele in diese Richtung aufschieben bis zur nächsten Krise und sich ihr Frühstück schmecken lassen.
    Die Stimmung begann erst zu kippen, als Katinka nach Pauls Plänen für den Tag fragte: »Hast du Aufträge reinbekommen? Stehen mal wieder ein paar Shootings an? Hoffentlich was Lukratives. Du bist immer viel zu gutmütig beim Aushandeln deines Honorars. Wo bleibt dein Geschäftssinn?«
    Paul verneinte und sagte, dass er sich noch einmal mit dem toten Busfahrer beschäftigen wollte. Hatte sein Interesse an diesem Fall bei Katinka bislang nur wohlwollende Zustimmung ausgelöst,

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