Lokalderby
auftraten.
So fragte ihn der Türsteher auch prompt nach »dem Mädel«: »Oder willst du hier etwa allein rein?«
Paul setzte das Pokerface auf, das er bei George Clooney in Ocean’s 11 abgeschaut hatte und sagte: »Ja. Was dagegen?« Als das nichts nutzte, zückte er seinen Ausweis, der ihn als Pressefotografen legitimierte. Sofort kuschte der bullige Securitymann und ließ ihn passieren.
Wummernde Bässe, Stroboskop – und LED-Lichtkaskaden, vorbeiziehende Schönheiten mit perfekten Gesichtem und Körpern, die allgegenwärtige Jugend. Immer wenn Paul Orte wie diesen betrat, was eigentlich nur noch passierte, wenn er auf Verbrecherjagd war, fühlte er sich fehlplatziert. Nicht, dass ihn irgendjemand schief ansah oder er sich Sprüche anhören musste wie »Was hat denn der Opa hier verloren?«, aber dennoch kam er sich wie ein Fremdkörper vor.
Das mochte am Alter liegen, denn die 40 hatte er ja nun schon eine Weile hinter sich. Mehr noch ins Gewicht fiel die Erfahrung: Er hatte inzwischen einfach zu viel erlebt. Die meisten Dinge wiederholten sich, ursprünglich reizvolle Momente verloren von Mal zu Mal mehr an Glanz, und schließlich hatte nach dem Jawort im Standesamt auch sein Jagdinstinkt nachgelassen. Denn was war und blieb denn die stärkste Triebkraft, sich in einer Disco herumzutreiben? Doch wohl die Suche nach einem Partner, einem One-Night-Stand, oder zumindest nach einem Flirt.
All das reizte Paul hier und jetzt überhaupt nicht. Er konnte froh sein, wenigstens zeitweise über den Dingen zu stehen und genoss das Privileg, den geballten sexuellen Reizen, die von allen Seiten auf ihn einwirkten, nicht zu erliegen, sondern sie ob der allzu plumpen Übertreibungen zu belächeln.
Ehe er allerdings doch wieder in alte Gewohnheiten verfallen konnte, machte er sich ans Werk und hielt nach seinem Zielobjekt Ausschau. Dies war nicht ganz so einfach, wie Hannah es ihm weisgemacht hatte. Denn das Mach 1 erwies sich mit all seinen Rückzugsmöglichkeiten, Nischen und Lümmelecken als labyrinthisches Jagdrevier, zumal es ihm die diffuse Beleuchtung nicht leichter machte.
Nach einer erfolglosen halben Stunde lehnte er sich an die Bar, bestellte ein Jever Fun und rief dem Barkeeper im Wettstreit gegen den dezibelsatten Beat zu: »Ist Svetlana hier?«
»Sveety?«, fragte der blondierte Beau im Seidenhemd. »Die Braut von Sakowsky?«
»Genau die!«, bestätigte Paul und schob einen Fünfeuroschein über den Tresen.
»Na sicher.« Der Barmann schnappte sich begehrlich das Geld und streckte den Finger aus. »Da hinten im Eck. Hat gerade eine zweite Flasche Schampus geordert.«
Pauls Blick folgte der Richtung, in die der Barkeeper zeigte. Hinter der im Rhythmus wabernden Menge auf der Tanzfläche erkannte er eine Gruppe junger Frauen, die sich auf flauschigen Sesselkissen räkelte. Sie war zu weit weg, als dass Paul einen Vergleich zu seinem Foto ziehen konnte.
»Macht es dir was aus, wenn ich den Schampus serviere?«, fragte er den verblüfften Thekenmann.
Dieser zuckte mit den Achseln, schob den Geldschein zurück und sagte: »Nichts dagegen. Aber dann kannst du dein Trinkgeld selbst behalten.«
Das Mädchen musste so um die 1,80 m sein – was schwer zu schätzen war, da sie ja saß – mit brünettem, schulterlangem, leicht zerzaustem Haar, einem großen vollen Mund und einem hübschen Hauch Rosa auf den markanten Wangenknochen. Gewichtsprobleme hatte sie bestimmt nicht, stellte Paul mit einem Blick auf ihre schlanken Waden fest, die aus einem hauchdünnen weißen Sommerkleidchen ragten. Ihre Füße steckten in Stilettos mit dünnen Riemen und gefährlich hohen Absätzen. Mit einem zweiten Blick erkannte er, dass sie nicht viel von BHs hielt.
Als Svetlana ihren Champagnerkelch hob und sich von Paul einschenken ließ, lieferte sie gleich das nächste Klischeebild ab, und zwar in unverfälschter Perfektion. Sie sprach mit genau dem russischen Akzent, den Paul aus diversen Filmen kannte. Und auch was sie sagte, traf bei seinen Erwartungen voll ins Schwarze: »Du biiist ein netter, großer Maaann. So süüüß, dass du machst die ganze Arbeit von Barkeeper.« Sie klopfte auf das Lederpolster neben sich. »Du magst dich setzen zu uuuns? Ein Gläschen mittrinken?«
Prompt rutschte Svetlanas Nachbarin ein Stück beiseite, sodass Paul nur noch Svetlanas ausgestreckte Hand ergreifen und sich zwischen den beiden Beautys auf die Bank fallen lassen musste. Kaum dass er saß, rutschte die Russin wieder näher heran.
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