Lokalderby
reagierte sie heute anders. Eine senkrechte Stirnfalte zerstörte das harmonische Bild ihres Gute-Laune-Gesichts, als sie entgegnete: »Bei aller Liebe: Ich gönne dir deinen Spaß, wirklich. Aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen. All das Gerede und die vielen Gerüchte bringen eine enorme Unruhe in die Angelegenheit.«
»Für Unruhe hat der Mord selbst gesorgt«, hielt Paul dagegen.
Doch Katinka winkte ab: »Es ist schlichtweg nicht korrekt, wenn du immer wieder von Mord sprichst. Ja, es gab einen Toten. Und ja, wir ermitteln in dieser Sache. Aber nur, weil es die Ärzte bisher nicht zustande gebracht haben, einen Beweis für ein natürliches Ableben zu liefern. Womit ich im Übrigen fest rechne.«
Paul sah sie zweifelnd an. »Aber Kati, ist dir eine Handvoll Kleeblätter in Buggis Rachen nicht Grund genug?«
»Ach, jetzt hör aber auf!«, fuhr Katinka ihn an und knallte die Kaffeetasse so heftig auf den Tisch, dass sie überschwappte. »So ein Blödsinn! Der arme Mann hat sich kurz vor seinem Tod erbrochen, ja, das ist richtig. Aber es handelte sich um ganz normale Essensreste. Vorverdautes, das vielleicht in Grünliches tendierte, darunter wohl auch Salat, aber gewiss keine Kleeblätter. Diese Versuche, krampfhaft eine Verbindung zu den Fürthern herzustellen, sind töricht, dumm und sogar gefährlich. Denn so etwas kann schneller, als man glaubt, in einen handfesten Fankrieg münden. Im Präsidium machen sie sich fürs Derby ohnehin schon auf den größten Polizeieinsatz des Jahres gefasst. Die Horrorstorys über Buggi tragen nicht gerade zu einer Entschärfung der Lage bei.«
»Du bist sicher, dass man das mit den Kleeblättern ausschließen kann?«
»Absolut sicher. Es steht auch fest, dass der Mann nicht erstickt ist. Ich tippe darauf, dass die Ärzte ein Herz-Kreislaufversagen feststellen. Ausgelöst durch falsche Ernährung, Bewegungsmangel, erbliche Vorbelastung oder was auch immer.«
»Also kein Mord«, folgerte Paul beinahe enttäuscht.
»Es scheint so. Außerdem sehe ich weit und breit keinen Täter und erst recht kein Motiv.«
Paul dachte an seine bisher geführten Gespräche und sagte: »Beim Motiv könnte ich eventuell aushelfen. Ich bin da an etwas dran.« Er sah Katinka an und fragte fast bittend: »Bist du denn einverstanden, dass ich mich weiter umhöre, solange die Todesursache nicht definitiv feststeht?«
»Solange du selbst keine Gerüchte streust, soll’s mir recht sein.« Dann fasste sie sich an die Stirn. »Apropos, beinahe hätte ich es vergessen: Da ist eine Nachricht für dich auf dem Anrufbeantworter. Diese Frau vom Fanklub, bei der du neulich warst, hat sich gemeldet. Du sollst dich bei ihr rühren. Aber bitte, Paul, lass dir von ihr nicht noch mehr Flöhe ins Ohr setzen.«
Er hatte es jetzt eilig, die Nachricht abzuhören: Rita Frenzel bat ihn zu einem Treffen.
»Club Treff« und »Fanshop« stand in vereinsfarbenen Lettern über dem Laden in der Ludwigstraße, keine 20 Gehminuten von ihrer Wohnung entfernt. Untergebracht im Erdgeschoss eines schlichten Fünfzigerjahrebaus mit großen Schaufenstern und orangeroten Markisen, verströmte er nach Pauls Empfinden einen Hauch von Nostalgie. Im Gegensatz zur neuen, auf Hochglanz polierten Club-Verwaltung am Valznerweiher drückte der Shop durch seine sympathische Schlichtheit eine Authentizität aus, die Paul gefiel. Dieser Laden war für die wahren Fans gemacht und konnte auf überzogene Marketingspielereien gut und gern verzichten.
Da er einige Minuten zu früh dran war, schaute er sich die Fenster an, wo neben Trikots, Käppis, Schals und Bechern mit FCN-Logo auch Bestecke, Grillutensilien und Partyausstattungen zu sehen waren. Sogar einen eigenen Club-Energydrink entdeckte Paul in der Auslage, und er fragte sich, ob die Clubberer vor ihren Spielen selbst eine Dose von dem Zeug tranken oder es wohlweislich sein ließen.
Rita Frenzel erschien pünktlich auf der Bildfläche. Paul begrüßte sie freundlich und war neugierig auf das, was ihm die kernige Fußballfreundin zu berichten hatte.
Zu seiner Verwunderung lotste sie Paul nicht in den Fanshop hinein, sondern einige Meter vom Eingang weg. Obwohl sie unter freiem Himmel und weit genug entfernt von anderen Menschen standen, sprach sie leise: »Neulich, bei uns in der Vereinsgaststätte, konnte ich nicht offen sprechen«, gab sie sich gleich zu Anfang des Gesprächs betont konspirativ. »Ich möchte nicht, dass meine Leute mitkriegen, worüber ich mit Ihnen rede.«
Das
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