Lokalderby
Fäusten!
Als Paul zu ihm aufsah, mochte er erst gar nicht glauben, dass sich tatsächlich einer der Stars des FCN die Ehre gab. Paul registrierte, dass Sakowsky größer und kräftiger war, als er nach seinen Eindrücken von der Zuschauertribüne und auch von den Fernsehbildern her angenommen hatte.
Paul erhob sich, um den Neuankömmling zu begrüßen, ahnte angesichts von Sakowskys Haltung und dessen finsterer Miene jedoch, dass es sich um keinen Freundschaftsbesuch handelte. Trotzdem streckte Paul ihm seine Hand entgegen, die Sakowsky aber ausschlug.
Stattdessen tippte er Paul mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die Brust und sagte: »Hör mal, Sportsfreund. Ich kann es nicht ausstehen, wenn man meine Freundin anbaggert. Jeder weiß, dass Svetlana meine Braut ist. Also such dir gefälligst eine andere.«
Paul schob Sakowskys Finger beiseite. »Ich habe nicht gebaggert.«
»Da hat mir Sveety am Telefon aber gerade etwas ganz anderes geschildert«, presste Sakowsky zwischen seinen vor Wut zusammengebissenen Zähnen hervor.
Nachdem Paul nicht entgangen war, dass ihr Disput die Aufmerksamkeit anderer Gäste auf sich zog und er eine Eskalation vermeiden wollte, machte er einen Vorschlag: »Können wir das nicht draußen klären? Es ist doch bloß ein Missverständnis!«
»Draußen?«, fragte Sakowsky und schob die Ärmel seines weißen Hemdes zurück. »Nur zu!«
Beide drängten sich durch die nach den Beats zuckende Menge und gingen die Treppe zum Ausgang hinauf. Das dauerte eine Weile und gab Paul die Gelegenheit zum Nachdenken. Mittlerweile fand er seinen eigenen Vorschlag, die Sache unter freiem Himmel auszutragen, gar nicht mehr so gut.
Vor der Tür erwartete sie nächtliche Kühle. Paul wollte versuchen, Sakowsky zu erklären, dass er absolut nichts von dessen Flamme wollte, sondern nur an einem Gespräch mit ihm interessiert war. Doch Sakowsky sah eher so aus, als stände ihm nicht der Sinn nach einer Diskussion, sondern als würde er den Konflikt gern klassisch mit einem Faustkampf austragen.
Kaum standen sie sich auf der Kaiserstraße gegenüber, hob der Fußballer seine rechte Hand. Statt Paul damit jedoch einen Kinnhaken zu verpassen, deutete er auf ein Auto, das trotz Durchfahrtsverbots mitten in der Fußgängerzone parkte. »Auto« war vielleicht nicht der passende Ausdruck, schon eher »Luxusschlitten« oder »Rakete«. Trotz der schummrigen Straßenbeleuchtung war das charakteristische Rot des Ferraris deutlich zu erkennen.
Sakowsky drückte auf einen Schlüssel, den er aus seiner Hemdtasche gefischt hatte, woraufhin sich Blinker und Innenbeleuchtung regten. Er winkte Paul, ihm zu folgen. Gleich darauf ließ er die Fahrertür nach oben aufschwingen.
»Lust auf eine Spritztour?«, fragte er.
Paul – verwirrt ob der unvorhergesehenen Wende in ihrem Disput – nickte und stieg als Beifahrer in das Auto.
Sakowsky legte den Rückwärtsgang ein, trat das Gaspedal und erweckte den Motor zum Leben. Ein kerniges, basslastiges und ungemein voluminöses Brummen und Brausen füllte das futuristische Cockpit. Gleichzeitig spürte Paul die Vibrationen der starken Maschine, die sich über den Schalensitz bis in seinen Körper fortpflanzten.
Paul kam sich beinahe vor wie in einem Flugzeug, als sie kurz darauf die Fußgängerzone verließen und am Hauptmarkt vorbei über die Waaggasse und den Maxplatz aufs Hallertor zuflogen. Sie bogen zum Westtorgraben ab, und das mit einer Beschleunigung, die Pauls Renault nicht einmal nach dem nachträglichen Einbau eines Turboladers geleistet hätte.
Ihre rasende Fahrt setzte sich im nächtlich dünnen Verkehr über Plärrer, Frauentorgraben und Bahnhofsplatz fort. Das Tempo war für den Stadtverkehr viel zu hoch. Paul, der zwar angeschnallt war, sich aber dennoch mit beiden Händen am Rand des Schalensitzes festhielt, kam der Gedanke, dass sein spontanes Einsteigen in Sakowskys Ferrari keine gute Idee gewesen sein könnte. Der Kicker wollte ihm wohl imponieren mit seiner Raserei. Oder ihm Angst machen.
Das gelang ihm spätestens, nachdem sie den Süden der Stadt erreicht hatten und Paul die Umrisse der Steintribünen auftauchen sah, die blitzschnell näherkamen und wegen der harten Federung des Sportwagens vor seinen Augen zitterten wie bei einem Erdbeben. Paul ahnte: Sakowsky wollte auf die Piste des Norisring-Rennens einschwenken. Ein Eldorado für Möchtegern-Formel 1-Piloten.
Während Sakowsky den Wagen in die engen Kurven der Rennstrecke trieb, breitete
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