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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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weil es sich dann einfacher lebt. Aber zu einem richtigen Proleten hast du nicht das Zeug.
    Beim Essen reden sie über Belanglosigkeiten. Hanns erzählt Tornemanns Geschichte und dann noch die von der mordenden Krankenschwester. Daniel erzählt, dass er überlegt, noch ein Fachhochschulstudium anzufangen. Sozialarbeiter wäre doch ein guter Job für mich. Meinst du nicht?
    Hanns schüttelt den Kopf. Du willst dich doch nicht ernsthaft um Junkies und Drückeberger kümmern? Er stellt sich vor, wie Daniel in irgendeinem Druckraum sitzt, Methadon austeilt und sich mit den Verlorenen abgibt. Kann ihm eigentlich egal sein, ob es so kommt. Ist es aber nicht.
    Du redest komisch, sagt Daniel und starrt Hanns an. Vielleicht bist du ja doch ein Prolet. Er stochert in seinem Wildgulasch rum und schiebt die größten Fleischbrocken beiseite.
    Wieso isst du das nicht?
    Sieht irgendwie nicht so vertrauenerweckend aus. Gibt es bei Wild eigentlich auch Freibankfleisch?
    Wo lebst du denn? Denkst du, die bescheißen hier mehr als in der Stadt? Hanns hebt ein wenig die Stimme |312| und senkt sie gleich wieder, um nicht den Skatbruder zu spielen.
    Der Wirt vom Ratskeller ist ein Jagdkumpel. Schießt sich das Gulasch höchstpersönlich zusammen. In Wald und Flur, wie man so schön sagt. Die größte Gefahr stellt wahrscheinlich der Genmais dar. Den die Viecher fressen. Der wächst auf güllegetränkten Feldern, und die Gülle ist verseucht mit Antibiotika und was weiß ich für Pharmascheiße. Man kann also davon ausgehen, dass dein Wildgulasch in gewisser Weise auch Medizin ist.
    Daniel nickt und schiebt sich mutig einen großen Brocken Fleisch in den Mund. Kaut darauf herum, schüttelt den Kopf, steht auf und geht zum Klo. Prima, denkt Hanns, die Schwuchtel kriegt nicht mal ein Stück Fleisch anständig runter. Er winkt der Kellnerin und ordert ein großes Bier.
    Als Daniel zurückkommt, sieht er verlegen aus. Tut mir leid, sagt er, ich bin ein bisschen zimperlich beim Essen. Das weißt du ja.
    Nichts weiß er, aber das ist jetzt auch egal.
    Iss auf, wir zahlen dann und laufen noch eine Runde durch die Stadt. Frankenburg am Abend hast du ja noch nicht erlebt. In der Scheune steigt heute eine große Party. Das Frankenburger Sommerfest der Volksmusik mit Kunsthandwerk und Blasorchester. So was hast du bestimmt noch nicht gesehen.
    Hanns denkt an die zwei Wochen zurückliegende Veranstaltung hier im Rathaus, über die er schreiben musste. Markt der Möglichkeiten – der Wirtschaftsstandort Frankenburg stellt sich vor.
    Auch da hatte abends das Blasorchester der Freiwilligen Feuerwehr gespielt. Der Wirtschaftsstandort Frankenburg passte komplett in den großen Ratssaal. Entweder hatten die Unternehmer keine Lust, sich zu präsentieren, |313| oder mehr war nicht zu holen. Hanns hatte sich eine Stunde mit dem Chef eines Stahlbauunternehmens unterhalten, das Bühnen- und Hebetechnik baute. Befahranlagen, das Wort hatte Hanns bis dahin noch nicht gehört. Der Typ machte einen cleveren Eindruck und schien bislang noch gut durch jede Krise gekommen zu sein.
    Du gehst doch manchmal in die Scharfe Ecke, hatte der Hanns gefragt, als sie auf dem Rathausklo am Pissoir nebeneinanderstanden. Redest mit den Jungs von Bosse, hä?
    Hanns hatte genickt und gewartet, was jetzt kommt. Der Unternehmer hatte seinen Schwanz verstaut, den Hosenstall geschlossen und dabei andauernd mit dem Kopf genickt, als bedürfe dieser ganze Akt der Selbstvergewisserung.
    Die bekommen hin und wieder ein bisschen Kohle von mir, hatte der Stahlbauer erklärt und Hanns dabei angeschaut, als sei ihm dessen Reaktion wichtig. Der hatte nur genickt und geschwiegen.
    Auf Spendenbasis, versteht sich. Kann ich absetzen, und die machen damit ein bisschen Bildungsarbeit.
    Sind Sie sicher, hatte Hanns gefragt. Dass die damit Bildungsarbeit machen?
    Wenn man es großzügig anschaut, schon. Ich kümmere mich da nicht weiter drum. Aber dieser Bosse, der hat noch eine große Zukunft vor sich, da verwette ich meinen Arsch drauf. ’ne Menge Grips und Mumm ausreichend. Hab schon überlegt, ob ich mir den in den Betrieb hole.
    Als Parteigruppenorganisator, war Hanns rausgerutscht, bevor er sich zur Räson rufen konnte. Aber der Typ hatte nur genickt. In der Art. Muss ja nicht gleich Partei sein. Aber diese Lahmärsche bei mir in der Produktion könnten mal ein bisschen Aufmunterung gebrauchen. Die haben |314| keine Vorstellung, wofür sie auf der Welt sind und dass wir hier in einer

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