Lokale Erschuetterung
Platz. Willkommen, flüstert Hanns und geht in Veronikas Zimmer zurück.
Komm mit in die Küche. Ich erzähl dir was von Frankenburg.
Veronika steht auf und kommt mit in die Küche. Wird munter und gerät in Fahrt. Was kochen wir, will sie wissen. Und Hanns überlegt blitzschnell, wie sich, was er vorhat, durch zwei teilen lässt. Wokgemüse, sagt er. Es gibt ’ne Menge zu putzen und zu schneiden. Er drückt ihr einen Kuss auf den Mund und teilt Möhren, Kohlrabi, Lauch und Chinakohl durch zwei. Dann stehen sie nebeneinander und bereiten sich eine Mahlzeit zu.
Veronika erzählt, dass sie alles klargemacht hat in der Klinik. In drei Wochen, sagt sie, und es klingt, als würden danach die Zeiten besser. Vielleicht ist es auch so, denkt Hanns, vielleicht sind wir dann endgültig durch.
Hast du mal überlegt, wieder Gesangsunterricht zu nehmen, fragt er, und Veronika sieht überrascht aus.
Wirklich. Ja. Ich könnte nur für mich ein bisschen singen. Eine Stunde in der Woche. Hier in der Nähe gibt jemand Privatunterricht. Kostet fünfundzwanzig Euro die Stunde.
Das geht doch. Du solltest es machen. Mach es. Hanns fühlt, wie eine kleine, nein, eine große Erleichterung den Kopfschmerz wegspült. Er stellt sich vor, wie Veronika neben einem Klavier steht und singt. Begleitet von einer süßen, etwas dicklichen Gesangslehrerin, jung noch, gerade mal mitten im Studium oder kurz nach dessen Beendigung. Noch kein Engagement, aber große Pläne.
|110| An diesem Abend bleibt er lange im Wohnzimmer sitzen. Veronika ist schon um zehn ins Bett gegangen, aber ihm geht die Müdigkeit ab. Sie will nicht kommen. Also kann er sich hinsetzen und Bier trinken und den Fernseher laufenlassen und Frankenburg Revue passieren lassen. Er denkt an Katja Schwenker, an ihre riesigen Titten und an ihren Blick, mit dem sie ihm signalisiert hat, was sie weiß. Für dich, Kerl, bestehe ich doch nur aus zwei großen Brüsten. Mir kannst du nichts vormachen.
Der hätte ich gleich eins reinsemmeln sollen, denkt Hanns und atmet ein wenig schneller. Die mit ihren Riesentitten, Butterbergen, Eutern, dieses Milchgebirge, diese Duttelamper. Die kann doch froh sein, wenn es der jemand besorgt.
Hanns hält die Luft an. So lange, bis ihm dunkel vor Augen wird. Dann steht er auf und geht ins Bad. Stellt sich unter die Dusche und müht sich zehn Minuten erfolglos, den ganzen Mist loszuwerden. Alles, was gelingt, ist ein müder kleiner Orgasmus, den er kaum spürt, der ihn nicht erleichtert und nicht zum starken Mann macht.
Tod in der Dusche, flüstert er. Ehefrau findet ihren Mann. Wurden ihm seine Sexspiele zum Verhängnis?
Der Chefredakteur ruft schon zwei Tage später an. Sie haben den Job, sagt er zu Hanns. Kommen Sie morgen her, um den Vertrag zu unterschreiben. Nächste Woche können Sie anfangen.
Übernächste, bittet Hanns. Ich muss hier noch einiges erledigen.
Der Chefredakteur schweigt am anderen Ende der Leitung. Schweigt und schweigt.
Wenn es nicht anders geht, fange ich nächste Woche an. Hanns rudert zurück. Er kann den Job jetzt nicht vergeigen, nur weil ihm der Arsch ein bisschen auf Grundeis geht.
|111| Es ist nur so, dass ich noch einiges zu Hause erledigen muss. Und eine Wohnung muss ich mir in Frankenburg auch suchen. Oder ein Zimmer.
Das letzte Argument scheint zu ziehen. Dann datieren wir Ihren Arbeitsbeginn auf den einundzwanzigsten Juni. Sommerbeginn, das ist doch nicht schlecht. Der Chefredakteur lacht leise. Da haben Sie ein Vierteljahr, sich einzugewöhnen. Bevor die harte Zeit anfängt.
Hanns lacht zurück. Sicherheitshalber tut er locker. Wenn der Herbst in Frankenburg beginnt, ist er entweder abgegessen und eingewöhnt oder schon wieder weg. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Er kann sich nicht vorstellen, dass es ihm wirklich gefällt dort. Aber er wird tapfer so tun. Veronika wird sich freuen, denkt er und bedankt sich beim Chefredakteur. Morgen um zehn wird er in der Personalabteilung vorbeikommen und seinen Vertrag unterschreiben. Ein halbes Jahr Probezeit und dann auf ewig und ewig. Gut so, denkt Hanns. Gut so, gut so, gut so. Ich werde ein Kadaverficker, ein Kreisverkehrsberichterstatter, ein Vereinsmeier, ein abgefuckter, blöder, saufender, fetter Lokalredakteur, ein knipsender Schreiberling, ein armer Trottel. Veronika wird mich vergessen und sich neu verlieben. Und ich ficke Katja Schwenker.
Seltsamerweise bereitet ihm der letzte Gedanke noch die geringsten Schwierigkeiten. Warum nicht Katja
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