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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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die dort bereit wären, eine Aktion zu starten, um Arbeitslosen den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Und dann kam tatsächlich genau der Einwand, den dieser Jungspund von Praktikant vorausgesagt hatte. Die fürchteten, dass ihnen die zahlungskräftigen Kunden abhandenkommen. Hanns ist selbst hingefahren. Wild entschlossen, dem Nenn-mich-Olli-Muskelprotz hinterm Tresen die Fresse zu polieren. Hat es dabei belassen, ihm zu erklären, dass seine Argumente aus der Luft gegriffen seien und sich in der Zeitung nicht gut machten.
    Wenn die mit Ihrer Hilfe einen Job finden, weil sie nicht mehr fett und schlapp sind, haben Sie später ein paar Kunden mehr.
    Der Komm-mir-nicht-zu-nah-Wichser hatte nur gegrinst.
    Wir wissen doch beide, dass es hier niemand auf den ersten Arbeitsmarkt schafft, fett oder nicht, hatte er gesagt und einen Finger unter das rechte Auge gelegt, das untere Lid leicht nach unten gezogen, so dass Hanns das gelbliche Gewebe sehen konnte. Zu viel anabole Steroide, hatte er bei dem Anblick gedacht, zu viel Scheiße im Körper und zu wenig Hirn im Kopf. Aber er war freundlich |267| geblieben und hatte der Sportskanone erklärt, wie gut sich eine durch die Lokalzeitung begleitete Kampagne fürs Geschäft machen würde. Und der Waschbrettbauch mit dem wahrscheinlich kleinsten Pimmel der Welt hatte ihm am Ende geglaubt, hirnlos wie er war. Hatte gegrinst und genickt und gesagt, Hanns solle mal einen schönen Text machen, und dann könne man weitersehen.
    Bosse macht die Wohnungstür weit auf. Hinten rechts, zeigt er, ich hol noch ein Bier. Oder willst du lieber Wein?
    Wein ist gut. Hanns geht durch den engen Flur in ein großes Zimmer, das keinen schlechten Eindruck macht. Tatsächlich sieht es sogar richtig gut aus. Am Esstisch, der ein Refektoriumstisch sein könnte, sitzen vier Männer und zwei Frauen. Zwei dieser Männer hat Hanns schon mal in der Kneipe gesehen, die eine Frau arbeitet in der Bibliothek und die andere könnte die Tussi aus der Apotheke sein. Sitzt im Stadtparlament. Illustre Truppe, denkt Hanns und grüßt mit einem Nicken in die Runde. Neben der Apothekerin ist ein Platz frei, der Stuhl an der Stirnseite scheint für Bosse reserviert zu sein. Alle schweigen und nehmen ihr Gespräch auch nicht wieder auf, nachdem Hanns sich hingesetzt hat.
    Ich helf Bosse mal reintragen, sagt die Bibliothekarin und steht auf.
    Das ist also die Tusse, für die man nur ein Mal klingeln muss. Hanns schaut dem Mädel hinterher und sieht einen wirklich schönen Hintern aus dem Blickfeld wackeln. Der kleine Bosse, ein großer Stecher, denkt er und fragt sich, warum er heute gar nicht mehr rauskommt aus der Rumkotzerei. Weil Vroni weg ist oder Daniel morgen kommt? Das kann ihm egal sein, auf jeden Fall ist die Lust, gleich hier und jetzt einen Haufen Müll abzusondern, sie alle samt und sonders fertigzumachen, fast so groß wie die Angst, sich lächerlich zu reden. Bis jetzt hat er diesem Impuls noch |268| immer widerstehen können. Bis auf wenige Ausnahmen. Aber Hanns traut sich kein Durchhaltevermögen mehr zu. Kein langes jedenfalls. Viel zu oft macht sich in seinem Kopf die dunkelblaue Wut breit. Bald wird etwas wirklich Großes passieren, und kein Daniel wird in der Nähe sein, ihn vor dem Schlimmsten zu bewahren. Dann sollte ich die ganze Angelegenheit doch auf morgen verschieben, denkt Hanns. Morgen kommt Daniel und kann mich retten, wenn ich ausraste. Hanns findet es fürchterlich, sich über solch einen Mist Gedanken zu machen, alles nur Spielereien im Kopf.
    Bosse, der jetzt mit einem großen Tablett reinkommt, auf dem Wein, Gläser und zwei Schälchen mit Erdnüssen stehen, machte sich wahrscheinlich nicht mal etwas draus, pöbelte seine neue Errungenschaft am Tisch ein bisschen rum. Hanns bekommt ein Glas Weiswein hingestellt und ein Lächeln gratis dazu.
    Ich darf euch Hanns Grabowski vorstellen. Er ist der Neugier halber hier und natürlich, weil ich ihn eingeladen habe. Ihr kennt ihn sicher alle, also erübrigt sich eine lange Rede. Hanns arbeitet bei der Frankenburger Rundschau.
    Sie haben doch letztens den Text über die antirassistische Initiative geschrieben. Die hier in Frankenburg ein Konzert gegen Rechts organisieren will?
    Die Bibliothekarin schaut Hanns nicht an beim Reden, lächelt aber ein wenig, was zusammengenommen irgendwie seltsam wirkt.
    Ich schreibe über alle Initiativen. So viel passiert schließlich nicht in Frankenburg, als dass man sich irgendwas durch die

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