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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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nicht. Eine Weile saß ich in dem geparkten Wagen. Ich inspizierte die Parkanlagen auf der Ostseite. Ich ging zurück zu Moden und Autozubehör. Ich sagte mir in einem Anfall von wütendem Sarkasmus - un ricanement -, es sei verrückt von mir, sie zu verdächtigen, sie werde sicher gleich auftauchen.
    Sie tat es.
    Ich wandte mich weg und schüttelte die Hand ab, die sie mit einem zaghaften und törichten Lächeln auf meinen Arm gelegt hatte.
    «Steig in den Wagen», sagte ich.
    Sie gehorchte, und ich ging auf und ab, im Kampf mit einem unaussprechlichen Gedanken, auf der Suche nach einem Mittel, ihrem Doppelspiel beizukommen.
    Nach einer Weile stieg sie aus und war wieder neben mir. Mein Gehör stellte sich nach und nach wieder auf den Sender EL-0 ein, und ich hörte, daß sie mir erzählte, sie habe eine Freundin von früher getroffen.
    «So? Wen?»
    «Ein Mädchen aus Beardsley.»
    «Gut. Ich kenne die Namen aller Mädchen deines Jahrgangs. Alice Adams?»
    «Das Mädchen war gar nicht in meiner Klasse.»
    «Gut. Ich habe eine vollständige Schülerliste bei mir. Den Namen bitte.»
    «Sie war nicht in meiner Schule. Sie hat nur in Beardsley gewohnt.»
    «Gut. Ich habe auch das Telephonbuch von Beardsley bei mir. Wir werden alle Browns nachsehen.»
    «Ich weiß nur ihren Vornamen.»
    «Mary oder Jane?»
    «Nein - Dolly wie ich.»
    «Da ist also nichts zu machen.» (Der Spiegel, an dem man sich die Nase einschlägt.) «Gut. Versuchen wir es anders. Du bist achtundzwanzig Minuten lang weggewesen. Was haben die beiden Dollys gemacht?»
    «Wir waren in einem Drugstore.» «Und habt da was ... ?»
    «Ach, nur ein paar Colas.»
    «Vorsicht, Dolly. Das können wir nachprüfen, nicht?»
    «Sie hat eine Cola getrunken. Ich nur ein Glas Wasser. »
    «Gut. War es da drüben?»
    «Logo.»
    «Gut, komm, wir verhören den Typen am Tresen.»
    «Warte mal. Jetzt kommt es mir vor, als ob es doch weiter unten gewesen ist - gleich um die Ecke.»
    «Egal - wir fangen hier an. Geh bitte hinein. Na, wollen mal sehen. [Beim Aufschlagen eines angeketteten Telephonbuchs.] Diskrete Bestattungen. Nein, noch nicht. Hier haben wir es: Drugstores - Einzelhandel. Hill Drugstore. Larkins. Und zwei weitere. Es scheint, das ist alles, was Wace an Milchbars zu bieten hat - wenigstens im Geschäftsviertel. Schön, wir werden in allen nachfragen.»
    «Geh zum Teufel», sagte sie.
    «Lo, mit Grobheit wirst du nicht weiterkommen.»
    «Okay», sagte sie. «Aber du kriegst mich doch nicht. Okay, dann haben wir eben keine Limonade getrunken. Wir haben uns nur unterhalten und uns die Kleider in den Schaufenstern angesehen.»
    «In welchem? In dem da drüben zum Beispiel?»
    «Ja, in dem da drüben zum Beispiel.»
    «Na, Lo, dann wollen wir es uns mal näher ansehen.»
    Es war in der Tat ein hübscher Anblick. Ein schicker junger Bursche reinigte mit einem Staubsauger eine Art Teppich, auf dem zwei Figuren standen, die aussahen,  als hätte eine Explosion sie übel zugerichtet. Die eine war splitternackt, ohne Perücke und Arme. Ihre verhältnismäßig kleine Statur und manieriert-verspielte Pose ließen vermuten, daß sie, bekleidet, ein Mädchen in Lolitas Größe vorgestellt hatte und auch wieder vorstellen werde. In ihrem jetzigen Zustand jedoch war sie geschlechtslos. Neben ihr stand eine viel größere verschleierte Braut, sehr hübsch und bis auf einen fehlenden Arm intacta. Auf dem Boden zu Füßen dieser Dämchen, wo der Mann mit seinem Staubsauger mühsam umherkroch, lagen drei schlanke Arme und eine blonde Perücke auf einem Haufen. Zwei der Arme lagen zufällig so verkrümmt beieinander, daß sie eine Klammergebärde des Entsetzens und des Flehens zu bilden schienen.
    «Sieh hin, Lo», sagte ich ruhig. «Sieh genau hin. Ist das nicht ein nettes Symbol für dieses oder jenes? Jedenfalls», fuhr ich fort, als wir wieder in den Wagen stiegen, «habe ich gewisse Vorkehrungen getroffen. Hier [ich öffnete elegant das Handschuhfach] auf diesem Block ist die Autonummer unseres Freundes vermerkt. »
    Esel, der ich war, hatte ich sie nicht auswendig gelernt. In meinem Gedächtnis waren nur der Anfangsbuchstabe und die Endziffer haftengeblieben - so, als weiche das ganze sechsstellige Amphitheater konkav hinter einem gefärbten Glas zurück, das zu trübe war, als daß man die mittleren Zahlen entziffern konnte, und eben durchsichtig genug, um die äußersten Enden erkennen zu lassen - ein großes P und eine 6. Ich muß auf diese Einzelheiten eingehen (die

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