Lolita (German)
beide oder keinen. Ich entsinne mich, daß ich einmal mit einem Revolver hantiert hatte, der einem Kommilitonen gehörte - in den Tagen (ich habe sie, glaube ich, noch nicht > erwähnt, aber das macht nichts), als ich mit dem Gedanken spielte, seine kleine Schwester zu vernaschen, ein ungewöhnlich strahlendes Nymphchen mit einer schwarzen Haarschleife, und mich dann zu erschießen. Jetzt fragte ich mich, ob Waletschka (wie der Oberst sie nannte) wert sei, erschossen, erwürgt oder ersäuft zu werden. Sie hatte sehr empfindliche Beine, und ich beschloß, mich darauf zu beschränken, ihr gräßlich weh zu tun,.sobald wir allein wären.
Aber dazu kam es nicht. Waletschka vergoß jetzt. Ströme von Tränen, die sich im Geschmier ihres Re-genbogen-Make-up färbten, fing an, kunterbunt einen Schrankkoffer, zwei Reisekoffer und einen platzenden Karton zu füllen, und das Verlangen, meine Bergstiefel anzuziehen und ihr mit Anlauf einen Tritt in den Steiß zu versetzen, ließ sich natürlich nicht in die Tat umsetzen, solange der verdammte Oberst die ganze Zeit herumlungerte. Ich kann nicht sagen, daß er sich frech oder sonstwie ungebührlich benommen hätte; im Gegenteil, er legte quasi auf einer Nebenbühne der Laienaufführung, zu der ich verleitet worden war, einen diskreten, altmodischen Anstand an den Tag, begleitete seine Gebärden mit allen möglichen falsch ausgesprochenen Entschuldigungen (j'ai demannde pardonne - entschuldigen Sie - est-ce quefaipuis - darf ich - und so weiter) und wandte sich taktvoll ab, als Waletschka schwungvoll ihre rosa Höschen von der Wäscheleine über der Badewanne herunterzog; doch er schien gleichzeitig überall zu sein, legredin , er paßte seinen Corpus der Anatomie der Wohnung an, las meine Zeitung in meinem Stuhl, knotete eine verhedderte Schnur auf, drehte sich eine Zigarette, zählte Teelöffel, ging ins Badezimmer, half seinem Flittchen, den Fön - ein Geschenk ihres Vaters -einzuwickeln und ihr Gepäck straßenwärts zu tragen. Ich lehnte mit einer Hüfte am Fensterbrett, die Arme verschränkt, und erstickte vor Haß und Langeweile.
Endlich waren beide aus der bebenden Wohnung heraus, das Dröhnen der Tür, die ich hinter ihnen zugeknallt hatte, zitterte noch in allen meinen Nerven, ein armseliger Ersatz für den Schlag mit dem Handrücken, den ich ihr, den Regeln der heutigen Filme gemäß, quer über den Backenknochen hätte versetzen sollen. Schwerfällig spielte ich meine Rolle weiter und stapfte ins Badezimmer, um nachzusehen, ob sie mein englisches Toilettenwasser mitgenommen hatten; nein, hatten sie nicht; aber ich bemerkte mit einem würgendem Ekelkrampf, daß der ehemalige Hofrat des Zaren nach einer gründlichen Entleerung seiner Blase das Becken nicht gespült hatte. Der solenne Tümpel fremdländischen Urins mit einem durchweichten dunkelgelben Zigarettenstummel, der sich in ihm auflöste, traf mich wie eine äußerste Beleidigung, und ich sah mich wild nach einer Waffe um. In Wirklichkeit war es wohl nichts als eine russische Kleinbürgerhöflichkeit (vielleicht mit asiatischem Einschlag), die den braven Oberst (Maximowitsch! sein Name kommt plötzlich wieder angetaxelt), der wie alle Russen eine sehr förmliche Person war, veranlaßt hatte, sein privates Bedürfnis in züchtige Stille zu hüllen, um nach seinem gedämpften Geträufel die Enge der gastlichen Behausung nicht durch das Rauschen einer mächtigen Kaskade zu unterstreichen. Dies fiel mir aber in dem Augenblick nicht ein, als ich vor Wut stöhnend die Küche nach etwas Besserem als einem Besen durchwühlte. Dann gab ich die Suche auf und raste mit dem heroischen Entschluß, mit bloßen Fäusten auf ihn loszugehen, aus dem Haus; trotz meiner kraftvollen Statur bin ich kein Faustkämpfer, während der kleine, aber breitschultrige Maximowitsch aus Gußeisen zu bestehen schien. Die Leere der Straße, auf der vom Auszug meiner Frau nichts mehr zu sehen war außer einem Straßknopf, den sie in den Schmutz hatte fallen lassen, nachdem sie ihn drei unnütze Jahre hindurch in einer kaputten Schachtel aufbewahrt hatte, ersparte mir vielleicht eine blutige Nase. Einerlei. Zu gegebener Zeit kam ich zu meiner kleinen Rache. Ein Mann aus Pasadena erzählte mir eines Tages, daß Mrs. Maximovich, geborene Zborowski, um 1945 im Kindbett gestorben sei; das Paar war irgendwie nach Kalifornien hinübergelangt und dort für ein glänzendes Gehalt zu einem einjährigen Experiment benutzt worden, das ein angesehener
Weitere Kostenlose Bücher