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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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cavalierser-vant sitzengelassen worden - die anderen, die Auswechselbaren, waren zu zahlreich und unbeständig für eine Katalogisierung. Ihr Bruder war - und ist sicher noch immer - ein prominenter, teiggesichtiger Politiker mit Hosenträgern und handbemaltem Schlips, der als  Bürgermeister die Werbetrommel für seine ballspielende, bibellesende, getreidehandelnde Heimatstadt rührte. Die letzten acht Jahre hindurch hatte er seiner großen kleinen Schwester monatlich mehrere hundert Dollar gezahlt, und zwar mit der bindenden Auflage, sich niemals, niemals im großen kleinen Grainball City sehen zu lassen. Unter verständnislosem Gejammer erzählte sie mir, daß jeder neue Freund sie aus irgendwelchen gottverdammten Gründen als erstes Richtung Grainball lotse: Es sei dem eine schicksalshafte Anziehungskraft eigen; und ehe sie es sich versehe, gerate sie in die Mondumlaufbahn der Stadt und befinde sich auf ihrer flutlichthellen Ringstraße - «ich fahre da immer rund und rund im Kreis», so drückte sie es aus, «wie ein gottverdammter Maulbeerspinner».
    Sie hatte ein niedliches zweisitziges Autochen; und um meinem ehrwürdigen Gefährt eine Verschnaufpause zu gönnen, fuhren wir in ihm nach Kalifornien. Ihr angeborenes Tempo lag bei hundertvierzig Stundenkilometern, Liebe Rita! Zwei trübe Jahre lang kar-jolten wir zusammen herum, vom Sommer 1950 bis zum Sommer 1952, und sie war die süßeste, einfachste, sanfteste, törichtste Rita, die man sich denken kann. Mit ihr verglichen war Waletschka ein Schlegel und Charlotte ein Hegel. Es gibt keinen Grund auf Erden, warum ich am Rande dieser finsteren Memoiren mit ihr herumscharwenzeln sollte, aber ich möchte doch sagen (hallo, Rita - wo du auch seist, im Suff oder im Katzenjammer, Rita, hallo!), daß sie die tröstlichste, die verständnisvollste Gefährtin war, die ich jemals hatte, und daß sie mich bestimmt vor dem Irrenhaus bewahrte. Ich sagte ihr, ich sei einem Mädchen auf der Spur und wolle deren Kerl kaltmachen. Rita erklärte den Plan feierlich für gut - und im Verlauf einiger Nachforschungen, die sie (ohne auch nur das Geringste zu wissen) auf eigene Faust anstellte, geriet sie in der Nähe von San Humber-tino selber an einen ziemlich üblen Gauner; ich hatte höllische Mühe, sie zurückzubekommen - abgenutzt und verbeult, aber immer noch obenauf. Eines Tages schlug sie vor, mit meiner geheiligten Pistole russisches Roulette zu spielen; ich sagte, das gehe nicht, es sei nämlich kein Revolver; wir balgten uns um das Ding, bis es schließlich losging, und aus dem Loch, das die Kugel in die Wand des Bungalows geschlagen hatte, spritzte ein sehr dünner, sehr komischer Warmwasserstrahl; ich erinnere mich, daß sie vor Lachen kreischte.
    Die sonderbar vorpubertäre Kurve ihres Rückens, ihre Reishaut, ihre langsamen, schmachtenden Colom-binenldisse bewahrten mich vor Unheil. Es ist nicht wahr, daß künstlerische Fähigkeiten sekundäre Geschlechtsmerkmale sind, wie Scharlatane und Schamanen behauptet haben; das Gegenteil ist der Fall: Das Geschlechtliche ist nur die Magd der Kunst. Eines unserer recht geheimnisvollen Gelage hatte unterhaltsame Nachwirkungen. Ich hatte die Suche aufgegeben: Der Teufel war entweder in der Tartarei oder verbrannte in meinem Kleinhirn (wo Traum und Trauer die Flammen schürten), aber gewiß ließ er Dolores Haze nicht an Tennisturnieren an der pazifischen Küste teilnehmen. Auf unserer Rückreise nach dem Osten, in einem der scheußlichen Hotels, wo Kongresse abgehalten werden und mit Namensschildchen besteckte Marzipan-schweinchen umhertaumeln, die sich beim Vornamen anreden, Geschäfte machen und sich besaufen, fanden die liebe Rita und ich beim Aufwachen um die Mittagszeit einen Dritten in unserem Zimmer, einen blonden, fast albinohaften jungen Burschen mit weißen Wimpern und großen transparenten Ohren, den, soweit wir uns erinnern konnten, weder sie noch ich im Verlauf unseres traurigen Lebens je gesehen hatten. In dickem, schmutzigem Unterzeug und alten Soldatenstiefeln lag er schwitzend und schnarchend auf dem Doppelbett hinter meiner keuschen Rita. Einer seiner Vorderzähne fehlte, bernsteingelbe Pickel wuchsen ihm auf der Stirn. Ritotschka wickelte ihre geschmeidige Nacktheit in meinen Regenmantel - das erste, was zur Hand war; ich schlüpfte in eine bonbongestreifte Unterhose; und wir machten eine Inventur der Lage. Fünf Gläser waren benutzt worden, was ein embarras de riebesse an Indizien war. Die Tür war nicht

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