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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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und hatte eine gute Figur, so viel kann ich zu ihren Gunsten sagen, und sie war die große Schwester meiner Lolita - an diese Vorstellung konnte ich mich vielleicht halten, wenn ich nur ihre schweren Hüften, runden Knie, reifen Brüste, die grobe rosa Haut an ihrem Hals («grob» im Vergleich zu Seide und Honig) und alles andere nicht zu reali-stisch zu sehen brauchte, woraus diese triste und öde Sache besteht: eine hübsche Frau.
    Die Sonne machte ihren üblichen Rundgang ums Haus, als der Nachmittag in den Abend hinüberreifte. Ich trank ein Glas. Und ein zweites. Und noch eines. Gin und Ananassaft, meine bevorzugte Mixtur, verdoppeln immer meine Energie. Ich beschloß, mich mit unserem ungepflegten Rasen zu befassen. JJne petite attention. Er war übersät mit Löwenzahn, und ein verdammter Hund - ich hasse Hunde - hatte die flachen Steine verunreinigt, auf denen früher einmal eine Sonnenuhr gestanden hatte. Der größte Teil des Löwenzahns hatte sich aus Sonnen in Monde verwandelt. Der Gin und Lolita tanzten in mir, und fast stolperte ich über die Liegestühle, die ich umzustellen versuchte. Verflixte rotgestreifte Zebras! Manchmal klingt ein Rülpser wie Beifallsgeschrei - wenigstens war das bei mir der Fall. Ein alter Zaun hinten im Garten trennte uns von den nachbarlichen Mülleimern und Fliederbüschen; aber zwischen der Front unseres Rasens (wo er sich an einer Seite des Hauses senkte) und der Straße war nichts. Das erlaubte mir (mit dem Schmunzeln dessen, der im Begriff steht, eine gute Tat zu vollbringen), Charlottes Rückkehr abzupassen: Dieser Zahn sollte sofort gezogen werden. Während ich mit dem Rasenmäher hin und her schlingerte und schlurrte und Grasschnipsel optisch in der tiefstehenden Sonne zwitscherten, hatte ich ein Auge auf diesen Teil der Vorortstraße. Sie bog sich unter dem Laubgewölbe mächtiger Schattenbäume heran und verlief dann eilig und ziemlich steil zu uns herunter, vorbei an dem weinberankten Backsteinhaus der alten Miss Visavis und ihrem hochansteigenden Rasen (der viel kürzer gehalten war als unserer), und verschwand hinter unserer Vorderveranda, die ich von dort aus, wo ich vergnügt rülpste und werkte, nicht sehen konnte. Die Butterblumen starben dahin. Der saftige Grasgeruch mischte sich in den der Ananas. Zwei kleine Mädchen, Marion und Mabel, deren Kommen und Gehen ich in letzter Zeit mechanisch verfolgt hatte (aber wer konnte meine Lolita ersetzen?), gingen auf die Allee zu (der unsere Lawn Street entsprang); die eine schob ein Fahrrad, die andere futterte aus einer Tüte, und beide sprachen mit ihren sonnigen Stimmen so laut es ging. Der sympathische Leslie, ein athletischer Schwarzer, der bei der alten Miss Visavis als Gärtner und Chauffeur arbeitete, grinste mir von weitem zu und schrie, schrie noch einmal und kommentierte es mit Gebärden, ich sei heute ja mächtig tatkräftig. Der blödsinnige Hund des begüterten Trödelhändlers nebenan jagte hinter einem blauen Auto her - nicht Charlottes. Das hübschere der beiden kleinen Mädchen (Mabel, glaubeich), Shorts, Büstenhalter mitwenig zum Halten, helles Haar - ein Nymphchen, beim Pan! -, kam, ihre Tüte zerknüllend, die Straße zurückgerannt und entzog sich hinter der Fassade der Residenz von Mr. und Mrs. Humbert den Blicken des Grünen Bocks. Ein Familienwagen tauchte aus dem Blätterschatten der Allee, schleppte auf seinem Dach etwas davon mit, bis die Schatten abschnappten, und raste in idiotischem Tempo vorüber; der mit einem Sweatshirt angetane Fahrer hatte die linke Hand auf das Dach gelegt, und der Hund des Trödelhändlers jagte nebenher. Eine lächelnde Pause -  und mit einem Flattern in der Brust ward ich Zeuge, wie die blaue Limousine heimkehrte. Ich beobachtete, wie sie den Hügel herabgerollt kam und hinter der Hausecke verschwand. Flüchtig erspähte ich ihr ruhiges, blasses Profil. Ehe sie nach oben gegangen war, fiel mir ein, konnte sie ja gar nicht wissen, ob ich fort war oder nicht. Eine Minute später sah sie mit angstgequältem Gesicht \ aus Los Zimmerfenster zu mir herunter. Ich sprintete die Treppe so schnell hinauf, daß ich dies Zimmer erreichte, ehe sie es verlassen hatte.

18
    Wenn die Braut Witwe ist und der Bräutigam Witwer; wenn die erstere seit kaum zwei Jahren in «unserer Großen Kleinen Stadt» wohnt und der letztere kaum einen Monat; wenn Monsieur die ganze leidige Sache so schnell wie möglich hinter sich haben will und Madame sich mit duldsamem Lächeln darein

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