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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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amerikanischer Staatsbürger obskurer europäischer Herkunft keine Schritte unternommen hatte, rechtmäßiger Vormund der Tochter (zwölf Jahre, sieben Monate) seiner verstorbenen Frau zu werden. Würde ich je wagen, diese Schritte zu tun? Ich konnte einen Schauder nicht unterdrücken, so oft ich mir vor-; stellte, wie meine Blöße im erbarmungslosen Licht des Zivilrechts von geheimnisvollen Paragraphen eingeengt wurde.
    Mein Plan war ein Wunderwerk primitiver Kunst: ! Ich würde zum Camp Q flitzen, Lolita sagen, ihre Mutter müsse sich in einer erdachten Klinik einer schwereren Operation unterziehen, und dann mit meinem schläfrigen Nymphchen von Gasthof zu Gasthof ziehen, während es ihrer Mutter besser und besser ginge, bis sie schließlich stürbe. Aber auf meiner Fahrt camp-wärts wuchs meine Angst. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, Lolita nicht vorzufinden - oder statt I ihrer eine verstörte Lolita, die nach einem vertrauten Familienfreund barmt: nicht nach den Farlows, gottsei-dank - sie kannte sie kaum -, aber könnte es nicht andere Leute geben, mit denen ich nicht gerechnet hatte? > Schließlich entschloß ich mich zu dem Ferngespräch, das ich vor ein paar Tagen so geschickt vorgetäuscht hatte. Es goß in Strömen, als ich in einem schlammigen Vorort von Parkington hielt, kurz vor der Gabelung, i deren eine Zinke an der Stadt vorbei zu der Landstraße führte, die die Hügel längs des Weges nach Lake Climax und Camp Q durchschnitt. Ich stellte den Motor ab und blieb mindestens eine Minute lang im Wagen sitzen, ' um mich für das Telephongespräch zu wappnen, und starrte durch den Regen auf den überschwemmten Bürgersteig, auf den Hydranten - ein wirklich grauenvolles Ding, das dick mit silberner und roter Farbe bemalt war und seine roten Armstümpfe ausstreckte, um sich vom Regen lackieren zu lassen, der wie stilisiertes Blut auf das heraldische Silber der Ketten tropfte. Kein Wunder, daß das Parken neben diesen Alptraumkrüppeln verboten war. Ich fuhr weiter bis zu einer Tankstelle. Eine Überraschung erwartete mich, als die Münzen endlich in gewünschter Weise heruntergerasselt waren und einer Stimme erlaubt wurde, der meinen zu antworten.
    Holmes, die Campleiterin, teilte mir mit, daß Dolly seit Montag (heute war Mittwoch) mit ihrer Gruppe auf einer Wanderung in den Bergen sei und spät abends zurückerwartet werde. Ob es mir etwas ausmachen würde, morgen zu kommen, und was eigentlich passiert sei... Ohne auf Einzelheiten einzugehen, sagte ich, ihre Mutter befände sich im Krankenhaus, die Lage sei ernst, man solle dem Kind nicht sagen, daß sie ernst sei, und es möge sich bereithalten, morgen nachmittag mit mir abzufahren. Die beiden Stimmen schieden mit einem Ausbruch von Wärme und Wohlwollen voneinander, und durch eine kauzige mechanische Panne plumperten mit einem Jackpot-Gerassel, das mich trotz meiner Enttäuschung über den Aufschub meines Glücks fast zum Lachen brachte, alle meine Münzen wieder heraus. Man kann sich fragen, ob diese plötzliche Entladung, diese spasmo-dische Rückerstattung im Geist McFatums nicht in einer Beziehung dazu stand, daß ich jene kleine Exkursion erfunden hatte, bevor ich davon erfuhr.
    Was nun? Ich fuhr ins Geschäftszentrum von Parking-ton und widmete den ganzen Nachmittag (das Wetter hatte sich aufgeklärt, die nasse Stadt war wie Silber-i und-Glas) dem Einkauf schöner Sachen für Lo. Grundgütiger, zu welch verrückten Einkäufen trieb Humbert die Schwäche, die er damals für karierte Wollstoffe, bunte Baumwolle, Volants, kurze Puffärmel, weiche i Falten, eng anliegende Oberteile und reichlich weite Röcke hatte. Lolita, ja du bist mein Stern, wie V. Poes Schatz war und B. Dantes Röschen, und welch kleine Deern wirbelt nicht gern in kreisrundem Rock und Höschen? Ob ich besondere Wünsche hätte, fragten mich schmeichelnde Stimmen. Badeanzüge? Wir haben sie in allen Schattierungen, traumrosa, mattes Aquamarin, eichellila, tulpenrot, ohlalaschwarz. Wie | wäre es mit Strandsachen? Slips? Keine Slips. Lolita und ich haßten Slips.
    Einer meiner Leitfäden in diesen Belangen war eine anthropometrische Eintragung, die ihre Mutter an Los zwölftem Geburtstag gemacht hatte (der Leser entsinnt sich jenes Kinderentwicklungsratgebers). Mir schien, als habe Charlotte, von dunklen Motiven des Neids und der Abneigung getrieben, hier ein paar Zentimeter und dort ein Pfund zugegeben; aber da das Nymphchen zweifellos in den letzten sieben Monaten etwas

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