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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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ordentliche, sichere Schlupfwinkel, ideale Stätten für Schlaf, Streit, Versöhnung, unersättliche, unerlaubte Liebe, Aus Furcht, Verdacht zu erregen, zahlte ich anfangs eilfertig für beide Hälften einer Doppelsuite, die je ein zweischläfriges Bett enthielten. Ich fragte mich, für welche Art von Quartett diese Anordnung wohl gedacht war, da durch die nicht bis zur Decke reichende Trennwand, die den Bungalow oder das Zimmer in zwei inein-andergehende Liebesnester teilte, doch nur ein pharisäischer Anschein von Alleinsein erreicht wurde. Nach und nach machten mich aber gerade die Möglichkeiten kühner, die solch eine ehrliche Promiskuität nahelegte (zwei junge Paare, die vergnügt Partner tauschen, öder ein Kind, das sich schlafend stellt, um Urlaute zu belauschen), und ab und zu nahm ich ein Bett-und-Liege-Häuschen oder ein Zweibettzimmer, eine paradiesische Gefängniszelle mit heruntergelassenen gelben Rollos, die eine morgendliche Illusion von Venedig und Sonne hervorrufen sollten, obgleich es in Wirklichkeit Pennsylvania war und regnete.
    Wir machten Bekanntschaft - nous connûmes , um eine Flaubertsche Wendung zu gebrauchen - mit dem Steinhäuschen unter riesigen Chateaubriandschen Bäumen, dem Gemäuer aus Backstein, dem aus Lehmziegeln, dem verputzten, gelegen auf Grundstücken, die der Reiseführer der Automobile Association «schattig» oder «weitläufig» oder «parkartig» nennt. Der Blockhaustyp, der aus knorrigen Kiefernstämmen verfertigt war, erinnerte Lo durch seinen goldbraunen Firnisglanz an Brathähnchenknochen. Wir verachteten die kahlen, geweißten Bretterhütten mit ihrem leichten Kanalisationsgeruch oder einem anderen finster verschämten Gestank, die sich mit nichts brüsten konnten (außer mit «guten Betten») und deren mürrische Wirtin immer darauf gefaßt war, daß man ihre Gabe («... Tja, also, geben könnte ich Ihnen ...») zurückweisen werde.
    Nous connûmes (ein königlicher Spaß!) die Möchtegernverlockungen ihrer immer wiederkehrenden Namen - all diese Abendrot-Motels, Da-strahlst-du-Cha-lets und die vielerlei «Höfe», Bergeshöh, Silbersee, Panoramablick, Fichtenglück oder auch einfach Mac's. Manchmal stand eine Extrazeile auf den Tafeln, wie «Kinder willkommen», «Pets erlaubt» ( du bist willkommen, du bist erlaubt). Die Bäder waren meistens, gekachelte Duschen mit einer endlosen Vielfalt an Brauseapparaten, aber mit einer entschieden unlaodizeischen Gemeinsamkeit: der Neigung nämlich, während der Benutzung plötzlich entweder kochendheiß oder schneidendkalt zu werden, je nachdem, ob der Nachbar in seiner Zelle den kalten oder warmen Hahn andrehte und so der Dusche, die man sich so sorgfältig gemixt  hatte, das unerläßliche Komplement entzog. Manche Motels hatten über den Klosetts (auf deren Wassertanks unhygienischerweise Handtuchstapel lagen) Vorschriften angeklebt, die den Gast ersuchten, keine Abfälle, Bierdosen, Kartons oder Fehlgeburten ins Becken zu werfen; andere hatten besondere Hinweise unter Glas 5 angebracht, wie zum Beispiel «Freizeitmöglichkeiten» (Reiten: «Sie werden auf der Hauptstraße häufig Herren und Damen zu Pferde sehen, die von einem romantischen Mondscheinritt zurückkehren.» - «Häufig um drei Uhr mor-I gens », spöttelte meine unromantische Lo. )
    Nous connûmes die verschiedenen Typen der Motelmanager: den bürgerlich gewordenen Sträfling, den Lehrer im Ruhestand, den verkrachten Geschäftsmann unter den Männern; und die Mütterliche, die Demimondäne und die Puffmutterhafte unter den Frauen. Und manchmal hörte man in der graüenhaft heißen, feuchten Nacht Eisenbahnzüge herzzerreißend und un-i heilverkündend heulen, Kraft und Hysterie in einem verzweifelten Schrei vermengt.
    Wir vermieden «Tourist Homes», ländliche Vettern der Funeral Homes, der Bestattungsinstitute, altmodisch, spießig und duschenlos, mit umständlichen Frisiertoiletten in kleinen Schlafzimmern, die in deprimierendem Weiß und Rosa gehalten waren und wo Photographien der Wirtinnenkinder in allen Lebensaltern / hingen. Aber hin und wieder gab ich Los Vorliebe für «richtige» Hotels nach. Während ich in der Stille einer dämmerigen, geheimnisvollen Seitenstraße sie im geparkten Wagen streichelte, suchte sie im Reiseführer eine warm empfohlene Seeufer-Lodge heraus, die so  manches zu bieten hatte, was von der Taschenlampe, die sie darüberhingleiten ließ, noch vergrößert wurde: kongeniale Gesellschaft, Imbisse zwischen den

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