Lolita (German)
mußte ich immer aufpassen, weil mir in meiner hellsichtigen Eifersucht die Gefahr dieser betörenden Toberei nur zu genau bewußt war. Ich brauchte ihr nur einen Augenblick den Rücken zuzukehren -zum Beispiel nur ein paar Schritte zu machen, um mich zu vergewissern, ob unser Zimmer nach dem morgendlichen Wäschewechsel fertig war - und siehe da, bei meiner Rückkehr rekelte sich Lo - les yetix perdus - am Steinrand des Beckens, planschte mit ihren langzehigen Füßen im Wasser, rechts und links von ihr kauerte je ein brun adolescent , und ihre rotbraune Schönheit und das Quecksilber in den Babyfalten ihres Bauches machten gewiß, daß er sich noch monatelang in seinen Träumen tordait - o Baudelaire!
Um mehr Vergnügungen miteinander gemein zu haben, versuchte ich, ihr Tennis beizubringen, aber obwohl ich in meiner Jugendblüte ein guter Spieler gewesen war, stellte sich heraus, daß ich als Lehrer nichts taugte; ich bestand also darauf, daß sie in Kalifornien ein paar sehr kostspielige Stunden bei einem berühmten Trainer nahm, einem vertrockneten, verrunzelten früheren Champion mit einem Harem von Balljungen; wenn er nicht spielte, schien er ein jämmerliches Wrack, aber wenn er beim Unterricht, um den Ballw echsel in Gang zu halten, mitunter sozusagen eine makellose Kaktusblüte von Schlag zustande brachte und seinem Schüler den Ball mit klingender Saite zurückspielte, erinnerten mich seine gefühlvolle Präzision und herrscherliche Kraft daran, daß ich vor dreißig Jahren in Cannes gesehen hatte, wie an ihm der große Gobbert zuschanden wurde! Bevor sie anfing, diese Stunden zu nehmen, glaubte ich, sie werde das Spiel nie lernen. Auf diesem oder jenem Hoteltennisplatz hatte ich Lo zu drillen versucht und mir dabei die Tage zurückgerufen, in denen ich bei heißem Wind, betäubendem Staub und merkwürdiger Müdigkeit der fröhlichen, unschuldigen, eleganten Annabel (Armbandgeglitzer, weißer Faltenrock, schwarzes Samthaarband) Ball auf Ball zuspielte. Jedes meiner Worte, jeder dringende Rat mehrte nur Los brummige Wut. Komischerweise zog sie unseren Partien - wenigstens bevor wir nach Kalifornien kamen - die regellosen, lahmen Ballwechsel (mehr ein Bällesammeln denn richtiges Spiel) mit einer zarten, schwachen, wunderhübschen Gleichaltrigen (Genre ange gauche) vor. Als hilfsbereiter Zuschauer ging ich manchmal zu der Kleinen hinüber, sog ihren schwachen Moschusduft ein, umfaßte ihren Arm, hielt ihr schmalknochiges Gelenk und schob ihren kühlen Schenkel hin und her, um ihr die beste Stellung für die Rückhand zu zeigen. Währenddessen beugte Lo sich vornüber, ließ ihre sonnenbraunen Locken hängen, bohrte ihren Schläger wie ein Krüppel seinen Stock in den Boden und stieß einen gewaltigen Schrei des Ab-scheus über meine Einmischung aus. Ich überließ sie wieder ihrem Spiel, sah zu und verglich, einen seidenen Schal um den Hals, die beiden sich bewegenden Körper miteinander; das war im Süden Arizonas, glaube ich -und die Wintertage waren mit träger Wärme gefüttert, und meine ungeschickte Lo schlug nach dem Ball und verfehlte ihn, fluchte und hieb die primitive Imitation eines Aufschlags ins Netz, und der nasse, glitzernde junge Flaum ihrer Achselhöhle wurde sichtbar, wenn sie voller Verzweiflung den Schläger schwang, und ihre noch ungeschicktere Partnerin lief pflichtschuldig hinter jedem Ball her und schlug immer daneben; aber beide amüsierten sich großartig und riefen sich die ganze Zeit über mit klingenden Stimmen den genauen Stand ihres Ungeschicks zu.
Ich entsinne mich, daß ich mich eines Tages erbot, ihnen Erfrischungen aus dem Hotel zu holen, den Kiesweg hinaufging und mit zwei großen Gläsern Ananassaft, Sodawasser und Eis zurückkam; und dann ließ eine plötzliche Leere in meiner Brust mich innehalten, als ich sah, daß der Tennisplatz leer war. Ich bückte mich, um die Gläser auf eine Bank zu stellen, und sah aus irgendeinem Grund mit einer Art eisiger Deutlichkeit Charlottes Todesgesicht vor mir und blickte mich um und sah Lo in weißen Shorts, wie sie sich in Begleitung eines großen Mannes, der zwei Tennisschläger trug, durch den gesprenkelten Schatten eines Gartenpfades entfernte. Ich stürzte ihnen hinterher, aber als ich durch die Büsche brach, sah ich, in einer anderen Vision, als verzweigte sich der Lauf des Lebens unablässig, Lo in langen Hosen und ihre Gefährtin in Shorts, wie sie an einer von Unkraut bewachsenen Stelle hin und her wateten und mit ihren
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