Lolita (German)
als Feigenblatt, als ihr kastanienbraunes Gelock über das aufgeschundene Knie fiel, und der Blätterschatten, den wir teilten, auf ihrem strahlenden Schenkel neben meiner chamäleonischen Wange zitterte und schmolz. Ein anderes Mal hing in der Metro ein rothaariges Schulmädchen an der Halteschlaufe über mir, und der Anblick ihres rötlichen Achselflaums, der mir zuteil wurde, haftete wochenlang in meinem Blut. Ich könnte eine lange Liste solcher einseitigen Miniromanzen aufstellen. Manche von ihnen endeten mit einem würzigen Vorgeschmack der Hölle. Zum Beispiel kam es vor, daß ich von meinem Balkon aus gegenüber ein erleuchtetes Fenster sah und etwas, das wie ein Nymphchen schien, im Begriff, sich vor einem kooperativen Spiegel auszuziehen. In ihrer Isolierung, in dieser Entfernung war die Vision von ganz besonders starkem Reiz, der mich mit Höchstgeschwindigkeit meiner einsamen Befriedigung zurasen ließ. Aber plötzlich, teuflisch, verwandelte sich das zarte Bild der Nacktheit, das ich vergöttert hatte, in den widerlichen, lampenbeleuchteten, nackten Arm eines Mannes in Unterzeug, der in dieser heißen, feuchten, trostlosen Sommernacht am offenen Fenster seine Zeitung las.
Seilspringen, Kreishüpfen. Die Alte in Schwarz, die sich neben mich auf die Bank setzte, auf meine Folterbank der Lust (ein Nymphchen suchte unter mir eine verlorene Murmel zu ertasten), und fragte, ob ich Leibschmerzen hätte, die unverschämte alte Hexe! Ach, laßt mich allein in meinem Kleinmädchenpark, in meinem moosigen Garten. Laßt sie für alle Zeiten um mich spielen. Nie erwachsen werden.
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Apropos: Ich habe mich oft gefragt, was aus diesen Nymphchen später geworden sein mochte. Könnte es in unserer schmiedeeisernen Gitterwelt von Ursache und Wirkung sein, daß die heimliche Lust, die ich ihnen stahl, keinen Einfluß auf ihre Zukunft gehabt hätte? Ich hatte sie besessen - und sie erfuhr es nie. Gut. Aber würde es sich nicht irgendwann doch zeigen? Hatte ich nicht irgendwie an ihrem Schicksal herumgepfuscht, indem ich ihr Bild mit meiner Lust verflocht? Ach, es war und bleibt die Quelle einer großen und schrecklichen Ungewißheit.
Eines Tages erfuhr ich, wie diese berückenden, verrücktmachenden, dünnarmigen Nymphchen als Erwachsene aussehen. Ich entsinne mich eines grauen Frühlingsnachmittags, als ich in der Nähe der Madeleine eine belebte Straße entlangging. Ein schlankes, kleines, junges Mädchen kam, auf hohen Hacken trippelnd, eilig an mir vorbei; wir sahen uns gleichzeitig um, sie blieb stehen, und ich sprach sie an. Sie reichte kaum bis an mein Brusthaar und hatte ein rundes kleines Grübchengesicht wie so viele französische Mädchen, und mir gefielen ihre langen Wimpern und das enge Tailleur, die perlgraue Hülle ihres jungen Körpers, der - o nymphisches Echo, Schauer des Entzückens, Aufruhr meiner Lenden - noch ein kindliches Etwas bewahrte, das sich in das professionelle fretille-ment ihres schmalen, beweglichen Hinterteils mischte. Ich fragte nach dem Preis, und sie erwiderte prompt und mit melodisch silbriger Präzision (Vogel, ganz Vogel!): «Cent.» Ich versuchte zu handeln, aber sie sah das schreckliche Verlangen in meinen gesenkten Augen, die sich auf ihre runde Stirn und ihren angedeuteten Hut richteten (ein Band, ein Sträußchen), und mit einem Aufschlag der Wimpern sagte sie: «Tantpis» und tat, als wolle sie gehen. Vielleicht hätte ich ihr vor nur drei Jahren beim Heimweg von der Schule begegnen können! Diese Vorstellung gab den Ausschlag. Sie führte mich die übliche steile Treppe hinauf, bahnte mit dem üblichen Klingelzeichen dem Monsieur den Weg, dem vielleicht nicht daran gelegen war, bei seinem trauervollen Anstieg zu dem verworfenen Zimmer, ganz Bett und Bidet, einem anderen Monsieur zu begegnen. Wie üblich forderte sie sofort ihr petit cadeau, und wie üblich fragte ich gleich nach ihrem Namen (Monique) und ihrem Alter (achtzehn). Ich war mit der banalen Art der Straßenmädchen gut vertraut. Alle antworten sie dix-huit , ein hübsches Gezwitscher, ein zweckbestimmter Laut versonnener Täuschung, den sie bis zu zehnmal pro Tag von sich geben, die armen kleinen Dinger. Aber in Moniques Fall konnte kein Zweifel bestehen, daß sie ihrem Alter eher ein oder zwei Jahre hinzufügte. Ich schloß dies aus allerlei Einzelheiten ihres straffen, knappen, merkwürdig unterentwickelten Körpers. Als sie ihre Kleider mit faszinierender Schnelligkeit abgestreift hatte, stand sie, zur Hälfte
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