Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
London 1666

London 1666

Titel: London 1666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
war, in der er das Mädchen Ruby besucht hatte ...
    Wie hatte er das vergessen können?
    ER WAR GEFLOGEN!
    Und er hatte auch nicht nur mit Pepys primitivem Gebiß nach Ru-bys Blut geschürft, sondern mit spitzen langen Vampirzähnen.
    Er war immer noch der Metamorphose mächtig! Wie ging das zu?
    Der Boden unter seinen Füßen schien sich in rotierenden Wahnsinn zu verwandeln. Was hatte das Ding am Teich tatsächlich mit ihm angestellt? Keuchend stemmte sich Kyle von der Glasfläche ab und wankte zu seinem Schreibtisch zurück, wo er sich in den bequem gepolsterten Sessel fallenließ und nach dem metallenen Siegelöffner griff, der auf einem Dekret des Königs lag.
    Ohne Zögern rammte er sich die Spitze der scharfen Klinge in den linken Unterarm.
    Der Schmerz war fühlbar. Zumindest diese Seite seines Wesens gehörte Pepys. Aber das Blut, das zäh und schwer und auch nur für einen überaus kurzen Moment aus der Wunde hervorquoll, ehe sich diese wie von Geisterhand geheilt wieder schloß, war schwarz!
    Kyle stöhnte. Und für einen flüchtigen Moment war er versucht, sich den Siegelöffner wie einen Pflock ins Herz zu stoßen, um zu ergründen, was dann geschehen wäre.
    Doch letztlich widerstand er dieser Verlockung, die nichts anderem als seiner Verzweiflung entsprang.
    WER BIN ICH?
    Er sank mit dem Kopf nach vorn und blieb minuten-, vielleicht stundenlang in dieser Haltung liegen. Die Augen geschlossen, dachte er nach, wie das weitergehen sollte, was mit Ruby begonnen hatte.
    Ruby.
    Irgendwann überkam ihn eine vage Ahnung, warum gerade ihr Blut den Knebel um seine Erinnerung aufgebrochen hatte, obwohl er vermutlich in vielen Nächten zuvor auch schon auf die Jagd nach seinem Elixier gegangen war, ohne daß Pepys sich anderentags daran hatte noch entsinnen können.
    Vielleicht war Ruby der Schlüssel. Ihr Blut hatte Kyle nicht zufällig an das Monstrum erinnert, das ihm all dies angetan hatte.
    Ruby war selbst ein Monster - und dem im Garten von Downings Haus erschütternd ähnlich .
    *
    Zur gleichen Zeit, unter der Brücke von London
    Cutter brach das Brot in zwei Teile und reichte eine der beiden Hälften dem Lumpenmädchen, über dessen Beine er vorhin gestolpert war.
    Nun saß es mit angezogenen Knien, den Rücken gegen den steinernen Stützpfeiler der Brücke gelehnt, neben ihm, griff bereitwillig zu und nickte dankbar zu dem freundlichen alten Mann hoch, den die einbrechende Dunkelheit hierher getrieben hatte.
    Das Gesicht unter dem Schal, der wie ein Kopftuch umgebunden war, glänzte tränenfeucht. Cutter hatte sofort gesehen, daß das Mädchen weinte. Er hatte es im Widerschein der Signalfeuer erkennen können, die sich im Fluß brachen und vom Tower her die Nacht dürftig erhellten.
    Unter der Brücke war ein guter Platz, selbst bei grimmigster Kälte. Das wußten viele. Entsprechend gefragt waren die Plätze unter den Bettlern der Stadt.
    Cutter hatte sich neben das Mädchen gesetzt, und nun räusperte er sich, nachdem er gerade herzhaft in seine Brotkante gebissen hatte. Ein paar Krümel purzelten aus dem Mund auf den Mantel. Er gab sie nicht verloren. Akribisch sammelte er sie mit Daumen und Zeigefinger ein, als handelte es sich um die größten Kostbarkeiten. Schließlich hielt er kurz in seinem Mampfen und sagte am Essen vorbei: »Ich hab' dich noch nie hier gesehen, Mädchen, und ich komm' jeden Abend her zum Schlafen.«
    Sie schien seine Bemerkung nicht als Aufforderung zu verstehen, zumindest nicht verstehen zu wollen.
    »Haben sie dir die Zunge herausgeschnitten, oder warst du schon immer stumm?« Cutters Ton zeigte keinerlei Veränderung.
    Das Mädchen neben ihm hörte auf zu kauen.
    Nach kurzem Überlegen hielt es Cutter das angebissene Brotstück wieder vor die Nase und sagte so herablassend, wie Cutter noch niemanden hatte reden hören: »Da! Wenn es nur mit quatschen geht, will ich dein Almosen nicht, Alter! Mir geht's nicht gut, sonst wär' ich bestimmt nicht hier. Ich wollte Ruhe - nur meine Ruhe! Aber wenn du .«
    Cutter schob ihre Hand weg. »Das ist in Ordnung. Mir geht's oft nicht anders. Iß weiter. Ich werd' mein Maul schon halten. Und wenn ich abhau'n soll .«
    Das Lumpenmädchen schüttelte den Kopf. Es ließ das Brot fallen. Dann trat es Cutter so fest in die Seite, daß er meinte, einen Eisennagel in die rechte Niere geschlagen zu bekommen. Er verschluckte sich an dem, was er noch im Mund hatte, und fing zu japsen an, nach vorn auf den Boden gesunken.
    Das Lumpenmädchen trat

Weitere Kostenlose Bücher