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London 1666

London 1666

Titel: London 1666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Oder machte er sich noch keine weiteren Gedanken. Dafür war später immer noch Zeit.
    Das Phantom, als das er die Guildhall betreten hatte, verließ das Gebäude nach kurzem Aufenthalt auch wieder. Zuvor hatte Kyle noch das Siegel vor dem Gewölbe erneuert. Die nächste Station seiner Nachforschungen war jene Absteige in der Nähe von Pepys Haus, in der Ruby untergebracht gewesen war.
    Wie erhofft, machte es Kyle keine Mühe, dort die Witterung der schönen Blume aufzunehmen und ihrer Spur durch die warme Au-gustnacht zu folgen
    *
    Ruby hetzte geduckt durch die Nacht.
    Fort! dachte sie. Nur fort von hier!
    Sie meinte immer noch die Hand an ihrer Kehle zu fühlen . und das völlig widersinnige Gefühl zu verspüren, von dieser Hand schon einmal (aber wann?) sehr viel zärtlicher berührt worden zu sein.
    Sie bekam immer noch nicht richtig Luft. Ihr Atem rasselte, als hätten die Finger heillosen Schaden angerichtet.
    Aus einem nahen Wirtshaus tönten Stimmen. Gelächter.
    Ruby war nicht zum Lachen zumute. Sie suchte verzweifelt nach einer Erklärung für das, was sie in der Kirche St. Magnus gesehen und erlebt hatte.
    Diese Fremde!
    Warum habe ich sie nicht umgebracht? Ich hätte sie ...
    Ruby blieb stehen, als wäre sie gegen eine Mauer gelaufen.
    Wo war sie hier? Die finstere Straße kam ihr bekannt vor, obwohl sie zugleich hätte schwören können, noch niemals hier gewesen zu sein.
    Wie absonderlich.
    Wie angewurzelt stand sie mitten auf dem Straßenpflaster. Die Stimmen aus der Schenke waren wieder leiser geworden. Die Dunkelheit drückte wie ein Gewicht auf Rubys Schultern.
    Plötzlich merkte sie, daß sie die ganze Zeit schon ein einzelnes Haus, höher als die meisten in seiner Nachbarschaft, anschaute. Mit angehaltenem Atem, als könnte sie auf diese Weise die Stimmen, die in ihr erwachten, klarer verstehen.
    Irgendwann setzte sie sich wieder in Bewegung und ging zielstrebig auf das Haus zu.
    Sie war nun sicher, aus der Kirche nicht einfach blind in die Nacht hineingerannt zu sein. Sie kannte dieses Haus. Sie hatte es all die Jahre gemieden, aber nun war das, was sie ferngehalten hatte, von der Hand an ihrer Kehle weggefegt worden.
    Die Tür war verschlossen, aber Ruby war im Einbrechen nicht ungeübt.
    Und als sie durch den Holzrahmen des zertrümmerten Fensters im Hinterhof in die dahinterliegende Stube kletterte, wurde sie von einem Gefühl überwältigt, das sie in dieser Macht und Untrüglichkeit kaum mehr für möglich gehalten hätte.
    Aber es stimmte.
    Sie war heimgekommen.
    *
    Der Schmiedehammer in ihrem Kopf weckte sie. Lilith öffnete die Augen. Zuerst nahm sie ihre Umgebung nur verschwommen wahr, aber nach ein paar Sekunden klärte sich der Blick.
    Sie begriff auch, daß das Hämmern nicht unter ihrer Schädeldecke stattfand, sondern seinen Ursprung am Kirchenportal hatte. Offenbar begehrte jemand lautstark Einlaß. Immer wieder schlugen Fäuste gegen das Holz und erschollen Rufe nach einem gewissen Ned . Ned Joyce . wenn Lilith es richtig verstand.
    Sie richtete sich schwankend vor dem leeren Beichtstuhl auf. Hinter sich erblickte sie das bleiche Gerippe, das immer noch im Mittelgang lag, und eine von nichts gestützte Ahnung sagte ihr, daß dies womöglich alles war, was von jenem Ned Joyce übriggeblieben war
    Und das Mädchen?
    Lilith blinzelte gegen die Helligkeit, die durch die Kirchenfenster hereinströmte.
    Sonnenlicht.
    Wie lange war ich bewußtlos?
    Ganz nah der Stelle, an der sie gerade noch gelegen hatte, lag eine zertrümmerte Apostelfigur. Wie sie dorthin gelangt war, blieb Lilith unklar.
    Unklar war auch noch immer, wo sie eigentlich war. Wie hieß diese Stadt? Und wieso war sie nicht wieder auf freiem Feld herausgekommen? Die Stimme draußen redete englisch, nicht deutsch. Aber war dies ein wirklich verläßliches Indiz, um auf ihren Aufenthaltsort rückzuschließen?
    Die Hand .
    Lilith betrachtete die Hand, die mehr eine Klaue war und die sie seit Heidelberg mit sich herumschleppte. Sie benahm sich wieder völlig passiv. Wie leblos .
    In diesem Augenblick drangen aus einem der Gänge, denen Lilith bisher keine Beachtung geschenkt hatte, mehrere Gestalten - am Ende zählte sie sechs - ins Kirchenschiff ein.
    Der Mann ganz zuvorderst entdeckte Lilith, ein anderer das Skelett im Mittelgang. Sofort schrien sie einander Warnungen zu, und im nächsten Moment verlangsamte sich der Vorstoß der Gruppe.
    Wahrscheinlich war es höchst ungewöhnlich, daß das Kirchenportal um diese Zeit noch

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