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London 1666

London 1666

Titel: London 1666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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unwirklichen, jede Minute trostloser werdenden Zeit .
    *
    Samstag, 1. September 1666
    Lilith erwachte im eigenen Erbrochenen. Sie fühlte sich, als hätte jemand Kathalenas Gedärme ausgewrungen. Ihre Augen waren verklebt - ob von dem Sekret aus den Beulen oder einfach nur von getrockneter Tränenflüssigkeit, war nicht festzustellen und spielte auch keine Rolle.
    Die ersten Minuten war sie fast blind. Es dauerte unendlich lange, bis sich ihr Blick halbwegs klärte und sie ihre Umgebung wieder wahrnahm.
    Es war die Wight-Wohnung. Nichts hatte sich verändert, nur sie selbst. Die Krankheit war nicht stehengeblieben, sie hatte enorme Fortschritte gemacht!
    Ein Erstickungsanfall suchte Lilith heim. Erst als sie Unmengen schwärzlichen Schleims ausgehustet hatte, konnte sie wieder etwas besser atmen. Aber die Erschütterungen hatten sie so benommen gemacht, daß sie wieder längere Zeit brauchte, ehe sie sich vorsichtig vom Bett erheben konnte.
    Schwankend begab sie sich zum Fenster.
    Draußen war es hell und heiß, der Sonnenstand fast unverändert, seit sie von ihrem kräftezehrenden Ausflug zurückgekehrt war. Das hieß entweder, daß sie nur eine verschwindend kurze Zeit geschlafen hatte - oder daß ein voller Tag verstrichen war. Nach dem geräderten Gefühl zu schließen, glaubte sie eher an die zweite Möglichkeit.
    Mehr Unheil als in den verstrichenen vierundzwanzig Stunden konnte die Pest in diesem Körper kaum noch anrichten! Lilith war geschockt, als sie sah, was aus den vereinzelten Geschwüren geworden war. Es gab kaum noch eine unversehrte Stelle. Die einzige Ausnahme bildete lediglich die Hand, die nicht zu diesem Körper gehörte und auf andere Weise verstümmelt war.
    Lilith bedauerte zutiefst, daß Salvat sie in der Kirche zu Heidelberg nicht hatte verbluten lassen. Es wäre ein unvergleichlich leichterer Tod gewesen als dieses unwürdige Sterben!
    Wieder fiel ihr Evelyn ein. In dieser Wohnung mußte sie ganz unweigerlich an das arme Mädchen denken. Vielleicht war es schon tot. Vielleicht lag es schon in der Grube, von der William Wight Lilith berichtet hatte: Am Stadtrand war während der Hochzeit der Pest ein gewaltiges Loch ausgehoben worden, in das man die Toten warf, weil die andauernden Leichenverbrennungen die Straßen mit erstickendem Rauch gefüllt hatten. Über jede Lage Leichname war eine Erdschicht geschaufelt worden, um den Verwesungsgestank zu unterdrücken. Diese Grube existierte immer noch, aber William zufolge waren die Pestfälle extrem rückgängig. Daß es ausgerechnet seine Familie - und die hier gestrandete Lilith - erwischt hatte, war ein aberwitziger Zufall. Lilith besaß nicht den erforderlichen Galgenhumor, um es zu würdigen.
    Sie starrte auf das Treiben unten in der Fish Street und wußte, daß das Leben auch dann ungebrochen weitergehen würde, wenn Ka-thalenas entstellter Körper tot auf dem Boden dieses Raumes lag.
    Lange konnte es nicht mehr dauern.
    Hoffentlich nicht!
    In diesem Augenblick veränderte sich das Straßenbild. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis Lilith realisierte, was dort unten passierte.
    Menschen rannten und gestikulierten, als wären sie auf der Flucht.
    Flucht?
    Liliths trübe gewordene Augen wanderten den Strom der Leute zurück, und ein wenig beschleunigte sich ihr Herzschlag, als sie sah, daß der Aufruhr an der Einmündung zur Pudding Lane entstand, wo vereinzelte Bürger auf die Leute dort einredeten. Die Neuigkeit, die sie ihnen überbrachten, verursachte wohl die Flucht all derer, die sie hörten.
    Lilith ließ ihre Neugierde nur allzu bereitwillig unter der vordergründigen Beschäftigung mit ihrer Qual hervortreten.
    Was versetzte die Leute in solchen Tumult?
    Sollte jetzt, da Lilith bereits halb tot war, doch noch etwas passiert sein, was auf das Wirken des Satans in dieser Zeit und in dieser Stadt rückschließen ließ? Das hätte dem Irrsinn die Krone aufgesetzt!
    Dennoch .
    Ein greller Schmerz ließ Lilith zusammenfahren. Doch dieser Schmerz hatte nichts mit der Pest zu tun. Er hing mit dem zusammen, was Salvat in sie gepflanzt hatte, um sie unablässig an ihren Auftrag zu gemahnen!
    Und letztlich war es diese Mahnung, dieser abstrakte Stempel, den Salvat ihr und Tobias aufgedrückt hatte, der Lilith dazu zwang, die Wight-Wohnung noch einmal zu verlassen und die letzten verbliebenen Kräfte zu mobilisieren.
    Wie ein Gespenst taumelte sie auf die Straße hinaus. Die Mühe, ihr Antlitz zu verhüllen, machte sie sich nicht mehr. Jeder,

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