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London 1666

London 1666

Titel: London 1666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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der ihr auf ihrem torkelnden Lauf begegnete, sah, was mit ihr los war - und der Strom der Passanten auf rätselhafter Flucht teilte sich vor ihr, wie einst Moses das Rote Meer geteilt hatte.
    Lilith erwartete bei jedem Schritt, daß ihr der Weg verstellt würde. Daß eine Kugel sie treffen und fällen würde. Oder daß irgend etwas passierte, was dieser Farce endlich ein Ende bereitete!
    Doch wider Erwarten gelangte sie ungehindert bis zum Beginn der Pudding Lane und sogar in die Gasse selbst, die zu diesem Zeitpunkt bereits fast verlassen dalag.
    Fast.
    Es war ein bizarrer Anblick.
    Vier alte Weiber in schwarzer Kleidung und mit kerzengeraden, meterlangen Stöcken in den Händen lagen in der Mitte der Gasse, unmittelbar bei der Backstube, die Lilith am Vortag entdeckt hatte, auf dem Straßenpflaster und flehten den Herrn schrill um Vergebung an.
    Nicht weit von ihnen befand sich noch eine fünfte Gestalt, von der Lilith der geringen Größe wegen zunächst glaubte, es handele sich um ein Kind, das auf einer seltsamen Holzkonstruktion mit Rädern hockte. Doch im Näherkommen sah sie, daß es ein beinloser Krüppel war, der in einer Bretterschale auf einer quadratischen Holzplattform hockte und sich darauf mit den Armen wie auf einem primitiven Rollstuhl vorwärtsbewegen konnte.
    Die runzligen Gesichter der Frauen wiesen die typischen Pestbeulen auf, das Gesicht des Krüppels nicht. Dennoch harrte er aus und machte keinerlei Anstalten, einer möglichen Ansteckung zu entrinnen. Er zeigte auch keine Angst, als Lilith auf ihn zukam und außer Atem, den Arm in Richtung der jammernden Weiber ausgestreckt, fragte: »Weißt du ... was passiert ist?«
    Der Krüppel grinste. In seinem Haar fehlten stellenweise ganze Büschel, als wären sie herausgerissen. Dort schimmerte die weißliche Kopfhaut. Mit einer Begeisterung, die völlig deplaziert wirkte, rief er: »Die Leichenprüferinnen hat's erwischt! Endlich! Ich roll' zu jedem Haus, das sie versiegeln, aber noch nie hat eine von diesen Vetteln etwas abgekommen ... Das ist das erste Mal, und ich dacht' schon, die seien unantastbar .«
    »Leichenprüferinnen?« wiederholte Lilith.
    Der Krüppel erzählte ihr, daß diese Aufgabe hauptsächlich ältere, alleinstehende Frauen verrichteten. Sie wurden zu Orten gerufen, wo man den Ausbruch der Pest vermutete. Mit ihren Stecken hielten sie sich noch lebende Infizierte vom Leib. Danach erstatteten sie in aller Regel den Behörden Bericht, die alle weiteren Schritte einleiteten.
    »Und du hast keine Angst?« erkundigte sich Lilith.
    »Was sollte der Schnitter mit einem Krüppel wie mir?«
    Lilith sparte sich den Kommentar, was sie von solcher »Logik« hielt. Stattdessen wandte sie sich den Leichenprüferinnen zu, die im selben Moment zu jammern aufhörten, als Liliths Hypnose sie erreichte.
    Sie näherte sich den vier Frauen nicht weiter, sondern befragte sie über die Distanz hinweg. Jeder Schritt kostete Lilith Kraft, und wäre Salvats Feuer nicht in ihr entbrannt, hätte sie sich vielleicht einfach zum Sterben zwischen die Weiber gelegt.
    »Wo wart ihr, als ihr euch angesteckt habt?«
    Sie zeigten auf das Haus neben der Backstube.
    »Wann war das?«
    »Wir wurden«, krächzte eine der Frauen, auf die sich Lilith konzentrierte, »vor einer Stunde gerufen. Doch es ist keine normale Pest!«
    »Was ist in diesem Haus?« Lilith dachte an Satan, in dessen Sog sie drei Jahrzehnte übersprungen hatte.
    Aber die Frau sagte mit brüchiger Stimme: »Tote ... Fast ein Dutzend Tote über die Stockwerke verteilt . Alles Opfer der Pest . und ganz oben, unter dem Dach, liegt sie .«
    »Sie?« »Ein totes Mädchen. Bei dem wir uns ansteckten.«
    Der Satan in einer seiner Masken?
    Aber tot...?
    Lilith spürte, wie die Kraft aus ihr wich. Aber etwas in ihr glaubte weiter, daß diese Dinge in Zusammenhang mit IHM standen. Etwas trieb sie auf das Haus zu, das die todgeweihten Weiber ihr gewiesen hatten.
    Und dessen Tür sperrangelweit offen stand .
    *
    Zu diesem Zeitpunkt hält eine Kutsche in der Seething Lane 28 vor Samuel Pepys Haus. Zwei Männer steigen vom Kutschbock, einer läuft zur Tür, klopft und kehrt sofort wieder zu dem anderen zurück, der inzwischen den Verschlag der Kutsche geöffnet hat.
    Die Haustür schwingt auf. Eine Magd streckt den Kopf heraus. Die Männer winken sie herbei und fordern sie auf, in die Kutsche zu blicken.
    »Kennst du diesen Mann? Er behauptet, hier eine Adresse zu haben!«
    Das Dienstmädchen erbleicht.
    »Ich

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