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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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klaffendes Loch an der Stelle, wo seine Geschlechtsteile hätten sein sollen. Ich nuschelte:
    »Oh Gott!«
    Und sank kotzend auf die Knie. Jordan knipste die Taschenlampe aus.
    Leise fragte er:
    »Ein Freund?«
    »Ja.«
    Dann zog er einen kleinen Flachmann und ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Zündete eine an und reichte sie mir. Er schraubte den Flachmann auf und bot ihn mir an. Ich nahm einige kräftige Schlucke, und er sagte:
    »Brandy mit Portwein.«
    Als das Gemisch in meinem Magen ankam, zog dieser kurz die Möglichkeit in Erwägung, alles wieder auszustoßen, überlegte es sich aber anders und beruhigte sich. Ich konnte die Zigarette rauchen.
    Ich versuchte, Billy möglichst nicht anzusehen. Jordan fragte:
    »Ist Ihnen seine Hand aufgefallen?«
    »Was ...? Nein.«
    »Die Finger an der rechten Hand sind weg, das ist eine Signatur.«
    »Eine was?«
    »Vosnok. Osteuropäisches Todeskommando. Seitdem die Grenzen offen sind, gibt’s da keine Arbeit mehr. London zieht Ungeziefer an.«
    »Kerrkovian!«
    Jordan nickte, sagte:
    »Ich nehme an, das ist kein Fall für die Polizei?«
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden.«
    Wir begruben ihn hinter dem Haus. Das war harte Arbeit, jedenfalls für mich. Mit einem Kater lässt sich’s nicht so leicht die Schaufel schwingen. Mir lief der Schweiß in Strömen. Außerdem war ich barfuß, und die Erde fühlte sich an wie Schlamm. Jordan grub mühelos und gleichmäßig. Ich sagte:
    »Sieht aus, als hätten Sie so was schon mal gemacht.«
    »Oft.«
    Ich wagte nicht, ihn zu fragen, ob er damit sagen wollte: »Hier, auf diesem Gelände.« Manche Dinge lässt man besser einfach so stehen. Als wir fertig waren, fragte Jordan:
    »Wollen Sie ein paar Worte sagen?«
    Ich hatte gute Lust zu schreien: »Verrotte, du Arschloch!«
    Ich nickte und sagte:
    »Auf Wiedersehen ... Billy.«
    Jordan genügte das offenbar. Er ging zum Haus zurück. Ich folgte ihm. In der Küche hinterließ ich dreckige Fußabdrücke und sagte:
    »Tschuldigung.«
    Er holte eins seiner Schweizer Pulvertütchen und rührte sein heilendes Elixier an. Meine Gedanken begaben sich in den freien Fall.
    Im Knast tut man niemandem einen Gefallen und bekommt auch von niemandem einen erwiesen. Das wäre zu riskant. Nur ein einziges Mal verstieß ich gegen diese Regel. Für einen Typen namens Craig. Ich hatte ihm den Rücken freigehalten, als er die Orientierung verloren hatte. Danach saßen wir meistens beim Essen zusammen. Er bot mir sogar seinen Nachtisch an.
    Sein Bruder war Bulle. Nicht irgendein Streifenpolizist, sondern ein bekannter Detective, der mehr Kinderschänder eingelocht hatte als Andrew Vachss. Aber irgendwann zog es ihn selbst in den Abgrund. Eines Abends machte er betrunken Jagd nach einem Kind. Als ihm schlagartig bewusst wurde, was er tat, ging er nach Hause und erschoss sich. Nur Craig kannte den Grund für seinen Selbstmord. In den Augen der Cops blieb er ein Held, der einfach »seine Knarre verschluckt hatte«. Dann hatte Craig von seinem Essen aufgesehen und mir direkt in die Augen geblickt. Insassen machen so was normalerweise nur, wenn sie ein Messer oder eine Knarre dabeihaben. Er sagte:
    »Damit will ich sagen, dass ich nichts von Übereifer halte. Wenn die hier einen Kinderficker lynchen, halt ich mich raus.«
    Ich hatte es begriffen. Seit einigen Tagen war die Atmosphäre aufgeladen. Normalerweise endete so was mit der Jagd auf einen Sexualstraftäter.
    Ich sagte:
    »Ich hatte nicht vor, mich den Feierlichkeiten anzuschließen.«
    Er sah mir weiter direkt in die Augen, sagte:
    »Selbstgerechtigkeit wirkt ansteckend. Menschen lassen sich mitreißen.«
    Ich widersprach ihm nicht. Er zahlte seine Schulden ab.

J ordan stupste mich an, reichte mir einen Becher, sagte:
    »Trinken Sie.«
    Das tat ich.
    Mann, war das Zeug gut. Fast wollte ich singen, mein ganzer Körper war wie verjüngt. Er fragte:
    »Was wollen Sie wegen dieses Kerrkovian unternehmen?«
    »Ihn suchen.«
    »Ja.«
    Ich zögerte, aber er wartete geduldig ab. Ich sagte:
    »Dann werde ich ihn töten.«
    »Sie werden Hilfe brauchen.«
    »Das ist nicht Ihr Problem.«
    Er verschränkte die Arme, sagte:
    »Ein Mann dringt auf mein Grundstück ein, legt eine Leiche vor meinem Fenster ab, und Sie sind der Meinung, ich sollte die andere Wange hinhalten?«
    »Wer kümmert sich um die Schauspielerin, wenn wir beide weg sind?«
    »Ich werde Vorkehrungen treffen.«
    Ich stand auf, sagte:
    »Okay ... wir gehen auf die Jagd.«
    »Haben Sie eine

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