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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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abgeschlossenen Komplex durch den Haupteingang zu betreten, sondern n ä herte sich durch die Seitenstra ß en. Am Somerset Water Gate legten regelm äß ig F ä hrboote an und ab, die Besucher des Festes ü ber den Fluss setzten. Er brauchte nur Geduld zu haben und an den Richtigen geraten. Irgendjemand fand sich hier immer.

    Die Schreie drangen tief in Matthews Schlaf vor. Sie vermischten sich mit seinen Tr ä umen, wurden zu einem undurchdringlichen Dickicht aus Bildern und Lauten. Er sah Frances, wie sie von Coustance festgehalten wurde und sich ein vermummter Mann an ihr verging. Und Collins Leichnam, der von der Decke eines metallisch-rot gl ü henden Raumes herabhing. All dies wurde ü berlagert von schier unmenschlichen Ger ä uschen. Die Laute nahmen an Gewalt zu, bis sie schlie ß lich so laut durch seinen Kopf schrillten, dass er schlie ß lich erwachte, weil ihm die Ohren so sehr schmerzten.
    Er riss die Augen auf. Lag einige rasende Herzschl ä ge lang orientierungslos. Dann wandte er den Kopf, sah den gusseisernen Ofen vor sich, den Tisch auf dem er Collin gefunden hatte – etwa einen Tag musste das her sein. Er war noch immer in dem Heizraum. Zwischendurch waren M ä nner gekommen, die nur den Ofen anfeuerten und so wortlos verschwanden, wie sie erschienen waren. Collin hatte sich an der Wand klein zusammengerollt.
    Er lebte, es schien alles nur ein Traum gewesen zu sein.
    Aber die Schreie waren geblieben.
    Wie konnte der Junge das denn nicht h ö ren? Matthew presste einige Momente lang die H ä nde auf die Ohren, dennoch drangen ihm die Laute immer noch durch Mark und Bein. Er lie ß den Blick durch den Raum schweifen, versuchte, die Richtung auszumachen, aus der sie kamen. Dann hielt er es nicht mehr aus und setzte sich auf.
    Er erinnerte sich an die Dinge, die Collin ihm ü ber die verborgenen G ä nge berichtet hatte. Vielleicht war es der Gedanke, dass es Frances sein k ö nnte, die diese Schreie ausstie ß , der ihn aufstehen und die W ä nde absuchen lie ß .
    Sie waren von der Hitze durchdrungen, mit glattem Verputz versehen. Nur ein St ü ck weit neben dem Ofen fand er eine unebene Stelle, eine Vertiefung, in die er die Finger schieben konnte, bis sie einen warmen, metallischen Verschluss ber ü hrten. Es kickte leise, als der Schnapper nachgab und zu Matthews Erstaunen eine wei ß verputzte, niedrige T ü r ein St ü ck ü ber dem Boden vor ihm aufsprang. Er blickte sich zu Collin um, der jedoch von all dem noch immer nichts mitbekam. Es war besser, ihn schlafen zu lassen, er wusste nicht, was ihn in dem dunklen Schacht, der sich hinter der T ü r befand, erwarten w ü rde. Wenn er einen Weg nach drau ß en fand, w ü rde er Collin nachholen.
    Er dr ü ckte sich hoch und schob sich in den Schacht. Dieser war so niedrig, dass er sich auf H ä nden und Knien fortbewegen musste. Eine Weile lang kroch er so durch die Dunkelheit, das Licht des Ofens war schnell hinter ihm zur ü ckgeblieben. Er hatte das Gef ü hl, der Gang w ü rde leicht ansteigen. Und die Schreie wurden immer lauter, der D ä mpfung beraubt, die sie durch die W ä nde erfahren hatten.
    Pl ö tzlich sah er Licht. Orangerot, wie von einem Feuer stammend, flackerte es auf den Gang. Er kroch schneller voran und fand eine vergitterte Ö ffnung in die Wand eingelassen. Was er durch sie sah, lie ß ihn w ü nschen, er k ö nnte sich gleichzeitig die H ä nde auf Ohren, Augen und Mund pressen. Er war Schriftsteller, sein Kopf hatte schon Dinge ersonnen, die ihn selbst in Erstaunen versetzt hatten. Aber was die Bilder, die er jetzt sah, in ihm wachriefen, ging ü ber Entsetzen hinaus. Seine Phantasie war nichts gegen die des Mannes, der dieses Szenario errichtet hatte.
    Der Raum hinter der Ö ffnung wurde von einem Becken erleuchtet, in dem offen ein Feuer brannte. Von seiner Decke baumelte ein nackter Mann herab, wie eben noch Collin in Matthews Traum. Oder vielmehr wie ein Schwein beim Schlachter, denn er schrie auch so: vollkommen entmenschlicht. Wie er das ü berhaupt noch vollbrachte, verstand Matthew nicht. Sein K ö rper war ü bers ä ht mit tiefen Wunden: Ein Schnitt kreuzte den n ä chsten. Blut lief seinen K ö rper hinunter, tropfte von seinen Armen herab, die mit Ketten so befestigt waren, als w ä re er kopf ü ber gekreuzigt. Das Blut wurde von silbernen Schalen aufgefangen, die unter dem Gepeiniten arrangiert waren. Seine Haut war hell wie d ü nnes Papier, sicher befand sich kaum noch ein Tropfen Leben in

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