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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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steckte seine Uhr ein und wandte sich langsam um. Eine Dame, in der au ß erordentlichsten Verkleidung der ganzen Nacht, stand hinter ihm. Sie trug eine exquisite, wei ß gepuderte Per ü cke, in die Perlenschn ü re eingewoben waren, ein Collier aus antiken Gemmen um den Hals sowie weitere Perlenstr ä nge an den Hand- und Fu ß gelenken. Ansonsten nichts.
    Dieser Anblick machte selbst Henry sprachlos, und er fror unwillk ü rlich. » Madame? « , brachte er hervor. Er bem ü hte sich, ihr nur ins Gesicht zu sehen.
    » Seid Ihr der Priester, der mich arme Iphigenie der Artemis opfern wird? «
    Diese ü bergewichtige Hirschkuh? Sie war so nackt, dass ein Priester ohne Weiteres eine Eingeweideschau an ihr h ä tte vornehmen k ö nnen – gesetzt den Fall, er f ä nde diese unter all den Speckrollen, die ihren Bauch verunstalteten.
    Vielleicht war sie einige Pfund wert, aber Geld trug sie sicher keines bei sich, und selbst wenn sie es getan h ä tte, h ä tte Henry die Flucht ihr vorgezogen.
    Er sch ü ttelte den Kopf und sagte: » Eine Verwechslung, verzeiht. «
    Damit macht er sich davon. Er war froh, dass sie ihm nicht folgte, als er hastig neben der nun verschlossenen Gartenpforte ü ber die Mauer kletterte. Erleichtert z ü ckte er auf der anderen Seite seine B ö rse. Wenigstens mit einem angenehmen Erlebnis wollte er den Abend beenden. Er z ä hlte sein Geld, w ä hrend er den Anleger passiert. Und so nahm er die Bewegungen bei den im Dunkeln liegenden Bootsh ä usern in der N ä he des Ufers nur aus den Augenwinkeln wahr. Erst dachte er, es w ä ren einige der F ä hrm ä nner, die ihre Boote hier zur Nacht unterbrachten. Doch dann fiel ihm auf, wie seltsam sich die Gestalten verhielten. In ihrer dunklen Kleidung kaum mehr als blo ß e Schemen, huschten sie durch den Schutz der Nacht.
    Er konnte nicht sicher benennen, was ihn schneller werden lie ß . Er war schon fast an der R ü ckseite des Bootshauses angelangt, da drehte sich einer der schemenhaften M ä nner um und hob eine Laterne. Diffuses Licht beleuchtete sein Gesicht, geisterte in Henrys Richtung. Mit rasendem Herzen sprang er aus dem Lichtkegel, seine Hand suchte an der Bretterwand des Bootshauses nach Halt. Am liebsten h ä tte er sich dagegen gedr ü ckt und nach der Luft geschnappt, die ihm gerade so knapp wurde. Aber daf ü r hatte er jetzt keine Zeit mehr.
    Der Kerl mit der Fackel war einer von Ross ’ M ä nnern! Er war es gewesen, der ihn in der Gasse nahe Covent Garden mit den F ä usten bearbeit hatte, dass er sie jetzt noch f ü hlen konnte, und ihm sicher die Rippen gebrochen h ä tte, w ä re Frances damals nicht aufgetaucht.
    Er hatte Ross untersch ä tzt! Seine Heerscharen waren ü berall. Wie hatte er nur so t ö richt sein k ö nnen, zu denken, dass er ihnen entkommen konnte? Was, wenn der Mann ihn gesehen hatte?
    Henry rannte los, darauf bedacht, seine Abs ä tze nicht allzu laut aufzusetzen. Er blickte sich um, immer wieder. Er musste sicher gehen, dass sie ihm nicht folgten.
    Genau das h ä tte er besser nicht getan. Pl ö tzlich verhakte sich sein Fu ß hinter etwas, das in der Dunkelheit am Bogen lag. Er geriet ins Straucheln, riss die H ä nde nach vorne und prallte auf etwas Weiches. Im ersten Moment war er froh, dass sein Fall auf diese Weise kein Get ö se verursacht hatte. Doch dann begriff er, auf was er da gefallen war; eigentlich f ü hlte er es mehr, als dass er es erkannte. Entsetzt rollte Henry sich zur Seite, unterdr ü ckte den Schrei, der ihm in der Kehle sa ß , und starrte stattdessen keuchend die menschlichen Ü berreste an, die halb aufgerichtet an der Bretterwand vor ihm lehnten. Seine Augen waren bereits gen ü gend an die Dunkelheit gew ö hnt, um ihm den blutigen Stumpf eines Halses zu offenbaren, dem der Kopf fehlte. Wei ß und blutleer schimmerte ein verzerrtes Gesicht auf den nackten Knien des Leichnams, leere Augen waren auf Henry gerichtet.
    Er rappelte sich auf, w ü rgte hart die Ü belkeit hinunter. Das Entsetzen sa ß ihm so sehr im Nacken, dass er beinahe verga ß , auf seine Schritte zu achten. Er hetzte eine Treppe hoch, in die gegen ü berliegende kleine Gasse. Obwohl ihm die Dunkelheit so entsetzlich vorkam wie nie zuvor, das entstellte Gesicht des Toten ihn bis hierher verfolgte, lief er so lange nur durch die kleinen Gassen, bis ihn eine Sackgasse auf The Strand zur ü ckzwang. Er war dankbar, dass selbst hier um diese Zeit keine Laternen mehr brannten, denn er kam sich ohnehin schon so

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