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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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ihm.
    Unbeeinflusst von all dem, bewegte sich ein Mann um das Opfer herum. Ein blo ß er Schatten in flie ß enden Gew ä ndern. Das flackernde Feuer zeichnete nur dann und wann Lichtblitze auf sein konzentriert blickendes Gesicht – zu kurz, als das Matthew viel davon h ä tte erkennen k ö nnen. Durch die verebbenden Schreie des Gefolterten drang immer deutlicher ein seltsamer Singsang, der von den Lippen des Schattenmannes zu stammen schien. Seine Handlungen folgten offenbar einem genau vorgezeichneten Plan. Er wendete silbern blitzende Amulette in den Schalen, die das Blut seines Opfers f ü llte. Er zupfte Nadeln aus dem K ö rper des aufgeh ä ngten Mannes, trug sie zu der Feuerschale, sammelte sie in einem Gef äß , das ü ber dem Feuer angebracht war, ersetzte sie durch neue.
    Der Aufgeh ä ngte bebte, keuchte auf. Sein K ö rper focht einen absurden Kampf gegen das Aufgeben. Er zitterte so heftig, dass die Kettenglieder seiner Fesseln klirrend vibrierten.
    Sein Peiniger trat zur ü ck, neben ein Tischchen, und betrachtete sein Werk. Er sang noch immer. Wie konnte er singen? Wie konnte er so sinnend l ä cheln, wie ein Kind, das ein feines Spiel vollendet hat? Liebkosend strich eine Hand des Mannes ü ber den Tisch, seine Finger schlossen sich um ein Instrument, das darauf lag. Mit einem stilettartigen Messer bewaffnet, n ä herte er sich seinem Opfer wieder. Er bewegte sich langsam, er hatte Zeit, und er genoss, was er tat. Er ging vor dem Sterbenden in die Hocke, strich ü ber dessen blutverschmiertes Gesicht. Dann zuckte sein Stilett vor, als f ü hre es ein Eigenleben, bohrte sich tief in den bebenden Hals vor ihm.
    Matthew wollte nicht l ä nger hinsehen, er tastete nach der Wand in seinem R ü cken, einem sicheren Anker in der Realit ä t.
    Der Schattenmann lie ß das Stilett fallen, seine Hand zog ein Messer mit gezackter Schneide aus den Falten seines Gewandes. Es beschrieb einen blitzenden Halbkreis, zuckte nach dem Sterbenden und fuhr in seinen Hals.
    » Gro ß er Gott! « , fl ü sterte er. Es gelang Matthew nicht, sich rechtzeitig abzuwenden. Er sah den Kopf des Aufgeh ä ngten fallen, st ü rzte zur ü ck, und genau in diesem Moment drehte sein Peiniger sich um. Er sah direkt in seine Richtung.
    » Wer bist du? « , entfuhr es Matthew leise.
    Die dunklen Augen des Mannes durchdrangen ihn eine Ewigkeit, wie es schien. Als sie sich von ihm l ö sten, fand Matthew die Kraft, sich von der Szene abzuwenden. Er kroch zur ü ck, so schnell ihn seine bebenden Glieder vorw ä rts trugen, zur ü ck in die Wirklichkeit des Heizraumes.
    Er schloss den Durchlass hinter sich, presste sich einige Augenblicke lang gegen die T ü r und floh dann von ihr, weil sie ihm so hei ß erschien, dass sie ihn schier verbrannte.
    Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was sich in dem Raum ver ä ndert hatte: Collins Platz an der Wand war leer! Er stolperte einige Schritte weiter, ungl ä ubig suchten seine Augen den Raum ab, aber der Junge blieb verschwunden. War w ä hrend seiner Abwesenheit jemand hier gewesen?
    Matthew sackte zu Boden, rollte sich zusammen, minutenlang atemlos. Setzte sich dann wieder auf. Er stierte die verborgene T ü r an. Doch so lange er es auch tat, sie bewegte sich nicht, sie spuckte weder die Schattengestalt noch Collin in den Raum.
    Als er sein Zittern endlich unter Kontrolle brachte, zerrte er sein Buch hinter dem Hosenbund hervor. Seine Hand fand irgendwie den Graphitstift, den die Schl ä ger tags zuvor im Raum zur ü ckgelassen hatten, und tat das, was sie von ihm verlangt hatten: Er schrieb. Er schrieb, um bei Verstand zu bleiben.

    Henry sah auf seine Taschenuhr. Schon drei … Sein Kopf befand sich in der s üß en Schwebe zwischen Trunkenheit und Vergessen. Aber sein K ö rper war m ü de und plagte ihn mit der Erinnerung daran, dass er nicht so viel wie erhofft verdient hatte. Zwar war es ihm gelungen, in der Begleitungen zweier junger Maskierter, die ihn als ihren Freund ausgaben, in den Garten der Adelsresidenz vorzudringen, doch die meisten Betrunkenen, die der Suff nach drau ß en in die kalte Nacht hinaussp ü lte, waren kaum f ä hig gewesen, einen anderen Dienst in Anspruch zu nehmen, als den eines ausgiebigen Nickerchens auf dem Rasen.
    Ü bellaunig betrachtete Henry das Zifferblatt. Nun war es auch schon zu sp ä t, um noch nach Cornhill zu gehen und Frances zu treffen.
    Eine Hand griff nach seinem Arm. » Wollt Ihr schon fort, mein Herr? «
    Henry verdrehte die Augen,

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