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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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sein Hut, sondern Geister sein Gesicht verschatten, wanderte Dunkelheit ü ber seine Z ü ge.
    Sie konnte nichts darauf sagen. Sie wusste nicht, wie es war, ein Soldat zu sein, und vom Krieg hatte sie in Chipperfield nicht mehr mitbekommen, als das, was der Pastor aus der Zeitung vorgelesen hatte.
    » Ich habe meine Seele doch diesmal an eine gute Sache verkauft, oder etwa nicht? «
    Sie dr ü ckte seine Hand. » An eine sehr gute, Nathan. «
    Er nickte.
    Vor ihnen erhob sich schon das Emersonsche Stadthaus in all seiner Pracht. Nathan sah an der wei ß leuchtenden Fassade hoch. » Zum Dienstboteneingang. Er muss mich nicht sehen. «
    Sie verstand. So wie sie seinen Onkel bisher erlebt hatte, war es besser, wenn Nathan ihm nun nicht begegnete. Also f ü hrte sie ihn in die Richtung, in die er deutete. Hinein in eine kleine Passage, die an der R ü ckseite der H ä userzeile entlangf ü hrte. An einer der Hintert ü ren stoppten seine unsicheren Schritte.
    » Danke « , sagte er, ohne sie anzusehen.
    Sie wusste, dass sie darauf nichts erwidern musste. » Lassen Sie Henri so schnell wie m ö glich wissen, dass es Ihnen gut geht. Er macht sich gro ß e Sorgen. «
    » K ö nnten … Sie das nicht ü bernehmen? «
    » Das w ü rde ich gerne tun, aber es gibt eine Sache, der ich mich nun dringend widmen m ö chte « , sagte sie ausweichend und kam sich vor wie eine Verr ä terin, weil sie ihm niemals die Wahrheit dar ü ber w ü rde erz ä hlen k ö nnen. » Ich werde sp ä ter zu ihm gehen, ja? «
    Nathan streckte die Hand nach der T ü r aus, z ö gerte und blinzelte dann schr ä g zu ihr hin ü ber. » Danke, Frances. «

    Um sie herum brandete das Chaos. Menschliches Rumoren, Geschrei und Gepolter, Stimmen, die wirr durcheinander redeten. Und immer wieder schallendes Gel ä chter.
    Wie gut das alles zu ihrer Laune passte.
    Frances konnte die Wut immer noch in sich sp ü ren, als ob sie diese aus Charing Cross mitgenommen h ä tte. Vor allen Dingen, war sie w ü tend auf sich selber, weil sie nicht den Mut aufgebracht hatte, Wilson Ross die Stirn zu bieten. Ross, der Nathan an den Pranger gebracht hatte, der Henry so entsetzlich zusetzte, der sich vielleicht sogar f ü r den Mord an ihrem Bruder verantwortlich zeichnete.
    Aber um das herauszufinden, war sie ja hierhergekommen. Insofern hatte die Wut auch einen gro ß en Vorteil: Unter normalen Umst ä nden h ä tte sie es sich nicht tr ä umen lassen, sich auf der Suche nach einem misshandelten M ä dchen in ein Irrenhaus zu begeben. Jetzt war sie aufgebracht f ü r zwei und genau in der richtigen Stimmung, um nach dem einzigen noch lebende Opfer des M ö rders zu forschen.
    Von au ß en hatte das Bethlehem Royal Hospital mit seinen beiden symmetrisch angelegten Fl ü geln wie ein Palast ausgesehen. Sogar ein Park mit B ä umen und Rasenfl ä chen erstreckte sich davor. Doch bei n ä herem Hinsehen entpuppten sich die Fenster dieses Palastes als vergittert, eine hohe Mauer umfasste das Geb ä ude und wurde von einem Tor durchbrochen, ü ber dem die Statuen zweier nackter M ä nner mit kahlen Sch ä deln kauerten. Sie sahen so unverhohlen irr von ihren Torpfosten herunter, dass jeder Eintretende unwillk ü rlich darauf vorbereitet wurde, was ihn im Inneren dieses vermeintlichen Palastes erwartete.
    Frances hatte noch kein Hospital von innen gesehen, aber es schien weder einen Grund daf ü r zu geben, dass es wie ein Gef ä ngnis aussehen sollte, noch hatte sie es sich so vorgestellt. Es gab zwei Etagen, die sich ü ber die gesamte L ä nge des Geb ä udes erstreckten. Eisengitter unterteilten die Etagen in Abteilungen f ü r M ä nner und Frauen. Der Pf ö rtner, der ihr am Eingang einen Shilling Eintrittsgeld abgenommen hatte, hatte ihr erkl ä rt, dass es ihr freist ü nde, wen sie besichtigen wollte: die m ä nnlichen oder die weiblichen Verr ü ckten. Die Etagen waren in Galerien aufgeteilt, sodass man von nahezu jedem Standpunkt fast das gesamte Stockwerk und einen Teil des darunter liegenden ü berblicken konnte.
    Die Patienten lebten hier offenbar wie V ö gel in einem ü berdimensionalen K ä fig, der selten ges ä ubert wurde, denn in manchen Ecken stank es bestialisch. Vornehmlich drang der Geruch aus den zellenartigen Zimmern entlang der Flure, deren T ü ren ge ö ffnet waren.
    Frances stand mit einem vor Nase und Mund gepressten Taschentuch immer noch mit dem R ü cken zu dem offenen Treppenhaus, durch dass sie eben den ersten Stock betreten hatte. Die Idee

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