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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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nicht viele und nicht laut, aber doch laut genug, dass sie die Schreie, die einen Delinquenten auf dem Weg nach Tyburn f ü r gew ö hnlich begleiteten, perfekt imitierten. Es waren sicher Ross ’ M ä nner, am Wegesrand postiert, um ihn geb ü hrend zu empfangen.
    Fassungslos versuchte Henry, das Szenario zu begreifen. Die Situation war so unwirklich, dass ihm die Fackeltr ä ger wie Geister erschienen, wenn sie aus der Dunkelheit kurz neben dem Fuhrwerk auftauchten, um sich dann der Prozession hinter Ross ’ Wagen anzuschlie ß en. Was wirklich geschah, verstand er eigentlich erst, als er aus der Finsternis die Wegkreuzung von Tyburn auftauchen sah.
    Ross hatte an alles gedacht: Selbst auf der Mauer, die zur Linken den Hyde Park einfasste, hatte er den ein oder anderen seiner Leute postiert, wo sie wie an normalen Hinrichtungstagen das Spektakel erwarteten und weder mit Schm ä hungen noch mit Wurfgeschossen geizten. Damit sie den Galgen gut sehen konnten, leuchteten auch rund um das dreibeinige Holzger ü st Fackeln auf, als die Prozession nah genug heran war.
    » Na? « , sagte Haggerty erwartungsvoll. » Was h ä ltst du davon? Der Lord sorgt tats ä chlich gut f ü r die Unterhaltung seiner Leute, ist es nicht so? «
    » Wie sch ö n, dass du dich noch viele Jahre in den Diensten eines Wahnsinnigen an solchen Gro ß z ü gigkeiten erfreuen kannst « , meinte Henry abwesend. Wie konnte dieser Aufmarsch nur unbemerkt bleiben? In der N ä he gab es einige H ä user. Irgendjemand musste das Spektakel doch sehen! Er ü berwand sich zu fragen. » Was ist mit den Dorfbewohnern? «
    » Du wei ß t doch, dass die guten Menschen von Tyburn sehr gesch ä ftst ü chtig sind. Gegen eine kleine Geb ü hr sind sie zeitig schlafen gegangen. Und sie lassen uns sogar ihre Trib ü ne benutzen. «
    Tats ä chlich waren einige Pl ä tze der Trib ü ne, welche die Bewohner von Tyburn errichtet hatten, damit Schaulustige sie gegen ein Eintrittsgeld in Anspruch nehmen konnten, besetzt. Eine Reihe von M ä nner und sogar ein paar Frauen sa ß en dort. Einige der Zuschauer sahen ziemlich m ü de aus, aber den meisten leuchtete die Aufregung aus den Gesichtern.
    » Dein Publikum ist schon da « , zischte Haggerty ihm zu. » Bin ich froh, wenn es mit dir aus ist. Dann wird Ross vielleicht wieder ein wenig genie ß barer. «
    » Deine Tr ä ume sind beinahe am ü sant. «
    Haggerty zog unsanft am Strick um Henrys Hals und entlockte ihm damit ein St ö hnen, das den Schreiber grinsen lie ß . » Ich kann dich gar nicht h ö ren. Es ist, als w ä rst du schon tot. «
    Im Angesicht des Galgens fiel Henry keine Erwiderung mehr ein. Haggerty wartete, bis Ross ’ Berlin neben ihrem Fuhrwerk anhielt und der Kutscher die Bremsen festgezurrt hatte, dann gab er ihrem Fahrer ein Zeichen, und das Gef ä hrt setzte sich in Richtung des Galgens in Bewegung. Henry sah zur ü ck, entdeckte Ross, der sich auf dem Kutschbock zur ü cklehnte, die F üß e hoch auf das Schutzblech gestellt. Er sah die M ä nner, die ihnen hierher gefolgt waren und sich nun auf der Trib ü ne verteilten. Und hinter dem Wagen blo ß e Dunkelheit, keine herannahende Schar von Befreiern. Niemand. Es war mehr als Nervosit ä t, was er nun f ü hlte.
    Er war nicht bereit, zu sterben.

    » Sie sagen das so einfach mit dem Krieg, Constable « , meinte Matthew, w ä hrend er und Emerson die K ö pfe zusammensteckten und dem Kutscher zusahen, der unter dem Fuhrwerk die Achse begutachteten.
    » Ich habe gesagt, das wir in einen Krieg ziehen, nicht, dass es einfach wird. Es ist niemals einfach, jemanden zu t ö ten. « Emerson wandte ihm den Kopf zu und musterte ihn genau. » Haben Sie jemanden get ö tet? Im Bagnio? «
    Matthew brachte ein Nicken zustande. Er erinnerte sich an das Ger ä usch, mit dem das Messer in den K ö rper seines Gegners eingedrungen war, an den Widerstand des Fleisches und sein eigenes Entsetzen, als der Mann zusammenbrach. Matthew konnte k ä mpfen, einen anderen Mann zu Boden ringen und kampfunf ä hig machen, aber ihn zu t ö ten war etwas ganz anderes.
    » H ö ren Sie « , sagte der Constable eindringlich, » es ist eine Sache, im Krieg M ä nnern gegen ü berzustehen, die aus demselben Grund gekommen sind wie man selbst, um ihre Pflicht zu erf ü llen. Eine ganz andere, Unschuldige, Wehrlose oder gar Verletzte abzuschlachten. Beides habe ich getan, ich wei ß wie das ist, und ich bin nicht stolz darauf. Aber Ross ’ M ä nner sind darauf aus, Sie

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