London Hades
Ermangelung einer Erwiderung auf und zu. Demonstrativ drehte sie den Kopf weg. » Hei ß t du wirklich Henry? « , wollte sie wissen, als er sich wieder an der Schn ü rung zu schaffen machte.
Vielleicht war es f ü r sie besser, das Thema Matthew zu verdr ä ngen. Aber daf ü r eines anzuschneiden, das ihm unangenehm war, fand er unfair. » Daran erinnerst du dich noch? « , brummte er.
» Ja. Aber ich habe gedacht, du h ä ttest mich damit nur beschwichtigen wollen. «
» Das wollte ich. « Er ü berlegte kurz. Eigentlich gab es keinen Grund, warum er sie bel ü gen sollte. » Dennoch ist es die Wahrheit. «
Sie legte den Kopf schief. » Wirklich? Aber sie nennen dich alle Henri – auch dein Bekannter Nathan. «
» Tja, das ist … ein wenig schwer zu erkl ä ren. Es … ist ein Kunstname. «
Frances schien dar ü ber nachzudenken.
Er ergab sich in sein Schicksal. » Frag mich. «
» Was? «
» Wozu ich ihn brauche. «
» Ach, das kann ich mir l ä ngst denken. «
Jetzt war es an ihm, sie anzustarren. Aber Frances schaute ihn nicht an, sondern griff stattdessen nach ihren R ö cken und begann, sich weiter anzukleiden, w ä hrend sie aufz ä hlte: » Deine Vermieterin nennst du Mutter Thompson, hier wohnen ansonsten nur M ä dchen, du hast gestern von deinen Kunden gesprochen, und dann war da auch noch dieser unangenehme Mensch, der nebenan wohnt. Ich kann mir denken, was du tust. Aber warum brauchst du dazu einen franz ö sischen Namen? «
Henry hatte das Gef ü hl, von diesem Landm ä dchen grob in die Ecke gedr ä ngt worden zu sein. » Ich habe nicht immer hier gewohnt « , verteidigte er sich. » In besseren Kreisen unterh ä lt man sich auf Franz ö sisch. «
» Und man umgibt sich mit Menschen, die franz ö sische Namen haben? «
Mit wenigen Schritten war er beim Schreibtisch, nur damit ihm beim Anblick der leeren Flaschen bewusst wurde, dass seine Notrationen Gin schon ausgetrunken waren. » So ist es. « Mit verschr ä nkten Armen drehte er sich um.
» Wie hei ß t du wirklich? « Sie umrundete ihn und stellte sich vor ihn hin. W ä hrend sie mit den Gewandnadeln das Vorderteil ihres Kleides in Position brachte, warf sie ihm aufmerksame kleine Blicke zu.
» Henry Nicholls. «
» Das ist nicht besonders originell. «
» Nein, aber es ist auch nicht besonders kompliziert. Verdammt, ich war f ü nfzehn, ich kannte zu diesem Zeitpunkt keinen einzigen Franzosen und nur ein paar Brocken Franz ö sisch. Das hat sich irgendwann ge ä ndert, und man gew ö hnt sich an alles, wenn man von Leuten mit Geld umgeben ist, die lieber einen kleinen franz ö sischen Arsch kaufen wollen, als einen englischen. «
Sie wandte sich ab und ging zur T ü r. » So genau wollte ich das nicht wissen. «
» Tut mir leid. Aber es ist nun einmal so. «
Mit geschickten Handgriffen befestigte sie ihren Strohhut ü ber ihrem Leinenh ä ubchen und verwandelte sich zur ü ck in das harmlose, kleine Ding, das er gestern auf dem Strand kennen gelernt hatte. Sie streckte die Hand nach dem T ü rgriff aus, z ö gerte dann aber. » Ich wollte dich nicht schlecht machen. Und das alles hat ja auch einen Vorteil: Ein Mieder schn ü rst du besser als unser M ä dchen daheim. «
Gegen seinen Willen musste er grinsen.
» Danke « , sagte sie.
» Lass dich von der alten Randall in nichts reinziehen, Frances. Wenn du Hilfe brauchst, dann komm wieder her. « Er wusste nicht, warum er ihr das anbot, obwohl er selbst genug Probleme hatte.
» Nat ü rlich. Immerhin wolltest du jetzt mein Bruder sein. Richtig? «
Sie griff wieder nach dem T ü rknauf, doch diesmal kam Henry ihr zuvor. » Haferbrei und Tee? «
Den Hunger konnte Frances nicht aus ihren Augen fortblinzeln. » Wo gibt es das? «
» Ich werde es Mutter Thompson abschwatzen. « Er ö ffnete die T ü r und machte eine einladende Geste.
Frances musste sich sehr beherrschen, den Brei nicht hinunterzuschlingen und den Tee nicht in einem Zug auszutrinken. Obwohl sie sich bem ü hte, wie eine Dame zu essen, so wie der Pastor es sie gelehrt hatte, musste sie wohl auf Mrs. Thompson gewirkt haben, wie das, was sie auch war: ein grenzenlos hungriges Maul.
Zum dritten Mal f ü llte sie Frances ’ Zinnteller auf. Der Inhalt des Kessels ü ber dem Herdfeuer in der dunklen K ü che im Kellergeschoss war unersch ö pflich.
Frances ’ Blick blieb an Mrs. Thompsons Sch ü rze h ä ngen, w ä hrend sie den Brei in sich hineinschaufelte. Das Kleidungsst ü ck schien ein perfektes
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