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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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«
    Konnte er tats ä chlich Gedanken lesen? Frances schloss zu ihm auf und musterte ihn misstrauisch von der Seite, ohne dass es den Jungen sonderlich zu beeindrucken schien. Er schlenkerte seine Fackel neben sich her und beobachtete, wie die angekohlten Lappen, die darum gewickelt waren, durch den Staub auf dem Boden streiften.
    » Das denken sie alle, dass ich sie beklau, sobald sie wegsehen. Alle. « Er schob sich wieder Locken aus der Stirn und schielte zu ihr hin ü ber. » Aber du hast ohnehin nichts in den Taschen. Bei dir gibt ’ s nichts zu holen. Also kannst du auch neben mir hergehn. «
    » Haben die Leute Recht damit? «
    » Hm? «
    » Dass du sie beklaust? «
    » Da kannst du einen drauf lassen! – Wenn mehr nach meinen Diensten verlangen w ü rden, m ü sste ich keine weiteren Geb ü hren von ihnen verlangen. Nur leider denkt alle Welt ohnehin, dass ich sie beklaue, und deshalb wollen mich so wenige. « Er lehnte sich zu ihr hin ü ber. » Aber erz ä hl ’ s nicht gleich weiter, dass der alte Collin geschickte Finger hat. «
    » Ich werd mich h ü ten « , murmelte sie. » Collin … ist das dein Name? «
    Der Junge lachte. » Glaub nicht, dass dir das was bringt, ihn zu wissen. Die Constables kennen mich eh schon. Ich war schon zweimal im Wood Street Compter , da haben mich die Captains rausgeholt. «
    » Klingt, als w ä rst du stolz darauf. «
    » Stolz? « Collin gelang es, sich gleichzeitig in die Brust zu werfen, mit ihr zu reden und seine Umgebung genau im Blick zu behalten. » Na klar! Wenn den W ä rtern da deine Nase nicht gef ä llt, lassen sie dich im Loch verschimmeln. «
    Frances war sicher, dass er log. In die Compter brachte man Schuldner, die nicht zahlen konnten, und sie blieben dort nur kurze Zeit, bevor man sie vor Gericht brachte. Sozusagen, um ihnen und ihren Angeh ö rigen einige wenige Tage einzur ä umen, die Gl ä ubiger doch noch auszubezahlen.
    » Mal ganz abgesehen von den armen Teufeln, die sie dort bis auf die Knochen ausbluten lassen – wenn du eine von den Ratten bist, die sie nachts in den Stra ß en aufgreifen, dann hast du nichts zu lachen. Egal ob Stra ß enm ä dchen, S ä ufer oder Streuner. Die W ä rter im Compter sind nicht zimperlich. Schon wenn sie dir die T ü r aufmachen, kn ö pfen sie dir Geld ab. Die nehmen, was sie kriegen k ö nnen. Und wenn du nichts hast, gehst du ins Loch. – Wir m ü ssen hier lang. « Collin wies die Stra ß e hinunter, die sich vor ihnen ö ffnete und von der Frances noch ziemlich genau wusste, dass sie sie eben erst hinaufgekommen war. » Das ist die Southampton Street . Sie verbindet Covent Garden und The Strand , klar? Dann merk dir das. «
    Er machte ein so wichtiges Gesicht, dass Frances unwillk ü rlich die Augen verdrehte. » So? Und warum? «
    Der Junge seufzte. » Weil du dich sonst niemals zurechtfinden wirst? «
    Glaubte dieser Schlauberger, nur weil sie sich seine Gegenwart mit einem Shilling erkauft hatte, k ö nnte er sich auch ü ber sie lustig machen? Sie schob die Unterlippe vor und verschr ä nkte die Arme vor der Brust.
    » Oh, und jemand der die Gef ä ngnisse der Stadt so gut kennt wie du, der findet sich nat ü rlich auch ü berall zurecht, ja? « , stellte sie fest.
    Collin sah sie nicht einmal an. » Nein. Jemand, der so lange auf der Stra ß e lebt wie ich, der tut gut daran, sich hier auszukennen. «
    » Und woher hast du diese Heimuniform? «
    » Aus Bridewell . Bin weggelaufen vor … vor f ü nf Jahren? Hm. Doch, als ich zehn war. «
    Frances musste lachte. » Ach, jetzt h ö r auf! Bridewell ist eine Besserungsanstalt f ü r … f ü r …«
    » Nutten? « , beendete Collin ihren Satz. » Aye, Miss. Und streunende Kinder, die man keiner Gemeindef ü rsorge zuordnen kann, die landen da auch. « Der Junge sah absch ä tzig an sich hinunter. » Die Sachen passen nicht mehr so ganz. Aber eine Weile wird es wohl noch gehen. «
    Frances verstummte f ü r einen Moment. Dass seine abgewetzte Kleidung, die kurze Jacke und die Hose mit den weiten Beinen, ausgerechnet aus einer Anstalt wie Bridewell stammten, h ä tte sie nicht gedacht. » Wo sind deine Eltern? « , wollte sie wissen.
    » Willst du das wirklich h ö ren? Scheinst mir ein wenig empfindlich zu sein. «
    Sie nickte vorsichtig.
    » Meine Mutter hat sich vom schwarzen Hausdiener ihres Dienstherrn anbumsen lassen. Sind beide tot. Pocken … Im Haus konnte ich nat ü rlich nicht bleiben. Die Herrschaften wollen keine Mischlinge, nur echte

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