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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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Gaffer und benutzte dazu eine Artischocke, die er auf seinen Degen gespie ß t hatte. Und der ganzen Meute voraus ging ein Knabe, der ü belsten Missbrauch mit einer Drehleier trieb.
    » Wartest du drauf, dass dir gebratene Tauben in den Mund fliegen? «
    Frances suchte den Mund, der das gesagt hatte auf Augenh ö he, aber sie fand ihn erst, als sie den Blick senkte. An einem Pfosten neben ihr lehnte ein junger Bursche, der aussah, als habe man ihn kopf ü ber in einen Kessel mit fl ü ssiger Schokolade getaucht, und er be ä ugte sie mit einem Interesse, das sie bei einem erwachsenen Mann als schamlos empfunden h ä tte.
    » Wohin soll ’ s denn gehen, so fr ü h am morgen, Sch ö nste? « Gekonnt beil ä ufig lie ß er die erloschene Fackel in seiner Linken ü ber den Boden schlenkern.
    Er klang dabei so altklug, dass Frances gegen ihren Willen grinsen musste. Sie konnte dem Schokoladenjungen unm ö glich b ö se sein. Locken kringelten sich auf H ö he seiner Ohren einmal rund um seinen Kopf, als h ä tte man ihm eine Sch ü ssel aufgesetzt und den ü bersch ü ssigen Schopf rundherum abgeschoren. » In ein paar Jahren, wenn du ein ansehnlicher junger Mann geworden bist, darfst du mich das noch einmal fragen « , sagte sie und wandte sich dann ab.
    Er stand so schnell wieder vor ihr, sie hatte gar nicht gesehen, dass sich seine schmutzigen F üß e bewegt hatten. » Frag dich das aber jetzt. «
    Bevor sie auch nur einen Schritt weitermachen konnte, packte seine Rechte ihr Handgelenk. Energisch entwand sie sich seinem Griff. » Scher dich davon! «
    » Wieso? Die Captains haben mich grad entlassen, und du siehst so aus, als k ö nntest du `nen Rat gebrauchen. « Seine S ä tze zeichneten sich dadurch aus, dass er beachtlich oft die Nase hochzog und deshalb die H ä lfte seiner Worte verschluckte.
    » Sag blo ß . « Sie stemmte die H ä nde in die H ü ften. » Und was f ü r ein Rat sollte das wohl sein? «
    Der Bursche schulterte seine Fackel und sah wie pr ü fend zum Himmel hoch. » Tja, ein Licht brauchst du wohl nicht mehr, aber meine Augen funktionieren auch bei Tag. « Seine Finger strichen durch seinen Haarschopf und enth ü llten ein Augenpaar, das den naseweisen Rotzbengel, f ü r den sie ihn eben noch gehalten hatte, binnen Sekunden zu einem Erwachsenen heranreifen lie ß .
    Frances machte einen Schritt zur ü ck, w ä hrend er sich gegen die Stirn tippte. » Und ich hab ein Ged ä chtnis, Miss … da sind sie alle drin, die Stra ß en. So wie auf dem gro ß en Plan in Captain Montagues Arbeitszimmer. «
    Hatte dieser Bengel sie etwa auch durchschaut? War es denn wirklich so offensichtlich, dass sie hier fremd war? Sie fuhr herum, haupts ä chlich w ü tend auf sich selbst. Warum wollte es ihr einfach nicht gelingen, hier wieder heimisch zu werden? Ihr Blick versank in den Weiten der Piazza, hangelte sich an den Kolonnaden entlang, die H ä user hinauf und fiel dann auf die trunkene Gesellschaft, die sich in der N ä he ihrer S ä nfte gerade in Aufl ö sung befand. Die beiden M ä nner in Uniform hatten sich die Arme der leicht derangierten Frau auf die Schultern gewuchtet und wanderten mit ihr in Richtung der Kaffeehausbuden davon. Die Menschenmenge zerstreute sich, ging wieder ihren Gesch ä ften nach, und Frances stand da, nach wie vor ohne Ankerpunkt.
    Dies alles hier war ein wenig zu gro ß f ü r sie. Im Moment noch. Nur noch dieses eine Mal w ü rde sie nachgeben. Eine Dame musste wissen, wann es besser war, Hilfe anzunehmen. Auch wenn sie in Form eines braun gef ä rbten Burschen im abgerissen Sonntagsstaat eines Londoner Kinderheims hinter ihr stand.
    » Also? «
    » Bull Inn Court . Da muss ich hin. «
    Mit der Innenfl ä che nach oben streckte er die Hand aus. » Also? «
    » Ich habe einen Shilling. «
    » Und einen Shilling kostet es, Miss. Nicht mehr und nicht weniger. « Der Junge nickte, als habe sie ihm eben ein Gespann Pferde abgekauft. » Los geht ’ s. «
    Er tauchte so schnell zwischen den Marktst ä nden unter, dass sie M ü he hatte, ihm zu folgen. Aber sie war froh, dass sie auf diese Weise hinter ihm bleiben konnte. Er sah harmlos aus, war bestenfalls vierzehn, und sie hatte schon dunkelh ä utigere Menschen gesehen, vor denen sie sich ernsthaft gef ü rchtet hatte, aber sie hatte auch keine Lust, ihre zweite Tasche an diesen Jungen zu verlieren.
    Er drehte sich halb zu ihr um und winkte ihr ungeduldig. » Komm schon, hab nicht ewig Zeit. – Ich beklau dich schon nicht.

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