London Hades
«
Panik senkte sich in Collins Herz. Es klopfte wilder, als die schmerzenden Brandmale auf seiner Brust, w ä hrend sein Blick sich an den beiden M ä nnern und ihren schwarzen Kutten hochtastete. W ü rde er wieder zur ü ckkommen?
Auf dem Packpapier stand: » Bruder Francesco, The George &. Vulture , 9 Uhr am heutigen Abend. « Seit Frances Henry an der Kreuzung Wood Street und Cheapside wiedergetroffen hatte, um mit ihm zu der Taverne zu gehen, musterte der junge Mann das P ä ckchen, als s äß e der Teufel selbst darin. Ä hnlich hatte sie es auch angestarrt, als sie es vor wenigen Stunden in Empfang genommen hatte.
» Nennt man so etwas Zufall oder Schicksal? « , meinte er.
Sie sch ü ttelte den Kopf. » Mr. Coustance nennt das Geschäfte . Sein Gehilfe Strozzini hat es mir ausgeh ä ndigt und ausrichten lassen, die Auslieferung br ä chte mir f ü nf Pence. «
» Wei ß t du, was darin ist? «
» Ein Buch nat ü rlich. Strozzini hat gemeint, in die falschen H ä nde geraten, k ö nnte es Belzebub selbst auf London loslassen. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob er wirklich bei Verstand war. « Seine glasigen Augen hatten nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass sie wie ein junger Bursche gekleidet war, mit einer kurzen Ä rmelweste, Halstuch, Hemd und Kniehose, als sie zur Arbeit in Mr. Coustance Buchhandlung erschien. Zwei Stunden hatte sie neben ihm gewerkelt, den Laden ausgefegt und weitere Buchpakete geschn ü rt, w ä hrend er nur n ä rrisch vor sich hingesummt und dabei diverse B ö gen Papier vollgekritzelt hatte.
» Tats ä chlich? Den Teufel selbst, ja? Aber das Paket riecht gar nicht nach Schwefel. « Henry grinste. » Jetzt, da du offiziell in teuflischem Auftrag unterwegs bist, h ä ttest du die Verkleidung f ü r den Besuch des Hell-Fire Clubs wom ö glich gar nicht gebraucht. «
» Oh, ich bin sehr froh, sie zu haben! « , versicherte Frances ihm. Denn Strozzini hatte sie auch wissen lassen, wie begl ü ckt er dar ü ber war, dieses P ä ckchen nicht selbst an die Höllenbrut ausliefern zu m ü ssen, wie er die Empf ä nger des Buches genannt hatte. Und dabei hatte er sich mehrfach bekreuzigt. Als hilflose Frau wollte sie der H ö lle nicht gegen ü bertreten, dann schon lieber in einer Verkleidung, die ihre wahre Identit ä t verh ü llte. Sie f ü hlte sich gut darin. » Au ß erdem k ö nnten wir dort auf Mr. Emerson treffen, und der sollte mich nun wirklich nicht gleich wiedererkennen « , f ü gte sie hinzu. » Es w ä re wohl auch besser, wenn du drau ß en warten w ü rdest, denn an dich und deine Bewunderung f ü r seine M ö bel erinnert er sich bestimmt. «
» Du willst da alleine reingehen? «
Das wollte sie ganz und gar nicht. Aber es blieb ihr wohl keine andere Wahl. Sie zuckte die Achseln.
Als er das sah, tat Henry es ihr gleich. » Bei St. Michaels da vorne m ü ssen wir rechts abbiegen. «
» Oh, es gibt eine Kirche – und das so kurz vor den Pforten der H ö lle? « , scherzte sie, obwohl sie der Anblick des hohen wei ß en Kirchturms, der selbst in der abendlichen Dunkelheit weithin sichtbar war, sogar ein wenig erleichterte. Sie waren zuletzt nur den gro ß en Hauptstra ß en gefolgt, vorbei am Mansion House , wo der Lord Mayor seinen Amtssitz hatte, und dem Royal Exchange , aber sie ahnte schon, dass sie bald in dunklere Gefilde gelangen w ü rden.
Zu ihrer Ü berraschung hatte die Gasse, in die sie nun einbogen, wenig mit ihren Vorstellungen gemein. Sie war schmal, aber sie besa ß eine Stra ß enlaterne, und wenn es sich dabei auch deutlich um ein ä lteres, tr ü bes Modell handelte, erleuchtete sie ihre Umgebung doch so weit, dass Frances sogar einige Ladenschilder entziffern konnte. Hier gab es Knights Schuhwarenhaus, einen Putzmacher, Jamesons Kaffeehaus und einen Barbier. Und obwohl das alles recht unverf ä nglich klang, sp ü rte Frances argw ö hnisch der Unruhe nach, die als kleines Dr ü cken im Magen begonnen hatte und nun so gro ß war, dass sie au ß er der Nervosit ä t nichts anderes mehr f ü hlen konnte. Neben ihr klickte Henrys Spazierstock ü ber das Kopfsteinpflaster wie das Pendel einer Uhr und machte sie schier wahnsinnig.
Bevor sie die n ä chste Abzweigung erreichten, fasste er sie am Arm, sodass sie erschrocken zusammenzuckte. Er schlug seinen Justaucorps zur ü ck, hob mit dem Stockknauf leicht seine seidene Weste an und offenbarte ihr damit das Messer, das in einer ledernen Schutzh ü lle hinter seinem Hosenbund steckte. »
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