London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
rechtschaffener Trotz sprach.
»Ich trinke nicht im Dienst.«
»Ach, Sie sind im Dienst?«, sagte Belsey.
48
Ridpath hatte einen verbeulten Volvo, der vor dem Haus auf der Straße stand. Sie stiegen ein. Um zwei Uhr morgens hatten Nordlondons Vorstädte für einen Schlummertrunk keine große Auswahl mehr zu bieten. Belsey lotste Ridpath zur West End Lane, zum Lately’s, einem Ab schleppschuppen für Geschiedene. Durch eine Sichtklappe taxierte ein Augenpaar ihre Zugangsberechtigung. Sie mussten reich oder verzweifelt ausgesehen haben, jedenfalls wurden sie eingelassen und mit einem Nicken die Treppe hinuntergeschickt.
Der Nachtclub war sehr dunkel und fast leer. Kleine Tische umringten eine Tanzfläche, die Platz für vielleicht zwei oder drei Leute bot. Eine Wand nahmen klebrige Sitznischen mit UV-Lampen ein, die wellige Fotografien beleuchteten, auf denen frühere Gäste Arm in Arm mit dem alten Besitzer zu sehen waren. Ridpath musterte den Laden.
»Sieht ziemlich gefährlich aus. Hier sollen wir reden?«
»Reden ist so ziemlich das Ungefährlichste, was Sie hier tun können.«
Belsey bestellte zwei überteuerte Biere und gab Ridpath etwas Zeit, seine Gedanken zu sortieren. Als er schließlich anfing zu reden, war sein in Erinnerungen verlorener Blick immer noch auf die leere Tanzfläche gerichtet.
»Sie wollen wissen, warum ich Alexei Devereux immer noch verfolge?«
»Ja.«
»Er hat mein Leben ruiniert.«
Belsey nickte. Er spürte, dass das Ridpaths großer Augenblick war. Und er gab das Publikum ab. »Wie hat er Ihr Leben ruiniert?«
»Ich habe jeden Bericht über Devereux gelesen, jedes Protokoll. Nicht nur die von uns, auch die aus Paris und Rom und das bisschen, was aus Washington gekommen ist. Ich sage das, damit Sie wissen, dass ich mich schon sehr lange für Devereux interessiert habe.«
»Okay. Was wissen Sie?«
»Wo soll ich anfangen?«
»Am Anfang.«
Belsey glaubte ein bösartiges Funkeln in Ridpaths Augen zu erkennen. Wie bei einem Pokerspieler, der einen Flush in der Hand hält, während alle glauben, er blufft.
»Geboren als Alex Demochev am 2. Februar 1957 in Odes sa. Die Eltern waren treue Parteigänger. Was ihnen nicht vergolten wurde. Sie wurden 1963 nach einem Schauprozess von der Geheimpolizei getötet. Nach allem, was man weiß, waren sie der Sache leidenschaftlich verpflichtet. Anscheinend hatte es parteiinterne Querelen gegeben. Ergebene Opfer für den Stalinismus.
Schon in jungen Jahren war er unter dem Namen Alexei Devinsky als Ideologe bekannt. Hat mit sechzehn Reden für örtliche Parteifunktionäre geschrieben, brillanter Kopf, wurde für höchste Aufgaben auf dem Gebiet der Propaganda gehandelt. Aber er hat Ärger bekommen, weil er unter den Arbeitern vor Ort einen Glücksspielring aufgezogen hat. Die haben Ratten gegeneinander laufen lassen und darauf gewettet. Mit siebzehn haut er aus einer Besserungsanstalt in Leningrad ab und schlägt sich bis nach Paris durch. Knüpft dort Verbindungen zu Bankkreisen, arbeitet als Underwriter, ändert seinen Namen in Devereux, wird Unternehmer.«
Belsey wunderte sich über die Besessenheit in Ridpaths Blick. Das farbige Licht der Kellerbar spiegelte sich in den Augen und auf der feuchten Stirn. Sein kleiner Schnurrbart zitterte. Er schien ganz weit entfernt von seinem eigenen Ich zu sein, voller Leben, in der Rolle Devereux’.
»Alle, die ihn trafen, ob in Paris, Prag oder Amsterdam, waren fasziniert von ihm. Alle sagten, was für ein Charisma.« Aus Ridpaths Mund klang das Wort schmierig. »Er hatte vollendete Manieren. Offenbar hatte er in Paris und Prag Affären mit Frauen von einigen der dortigen Wirtschaftsgrößen. Das könnte der Grund für seine überstürzte Abreise aus diesen Städten gewesen sein. 1992 ging er zurück nach Russland. Es heißt, er habe die Perestroika vom Ausland aus finanziell unterstützt. Aber für das große Ab räumen war er rechtzeitig vor Ort. Wissen Sie über die Oligarchen Bescheid?«
»Erzählen Sie.«
»Das waren die Leute, die für den Ausverkauf einer Supermacht zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Im Angebot war auch das Militär.«
»Richtig.«
»Der zweitgrößte Militärkomplex der Welt, aufgeteilt unter vier oder fünf Einzelpersonen, die zufällig zur rechten Zeit das Geld und die Verbindungen hatten. An Dimitri Kowalewski fielen Unmengen von Uran, an Wladimir Schtschepetow die technischen Anlagen. Devereux interessierte sich für die Sporteinrichtungen.«
»Die
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