London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
sind. Schwere Kaliber. Niemand weiß, warum die hier sind, aber Bucking hams Name ist auch gefallen. Er soll die Party organisiert haben.«
»Darf ich da mal ein Blick reinwerfen?«, fragte Belsey.
»Nur zu«, sagte die Frau aus Snow Hill mit müder Stimme und gab ihm den Ordner.
Belsey ging den Stapel Notizen und Formblätter durch. Er stieß auf ein Memo von einem Lieutenant Stephen Maynard von der amerikanischen Börsenaufsicht, der auf eine Beschwerde eines texanischen Investors geantwortet hatte, der »erhebliche Bedenken« wegen eines Geschäfts zwischen dem Hong Kong Gaming Consortium und AD Development geäußert hatte. Ein weiteres Memo berichtete von einem österreichi schen Konto, über das möglicherweise große Summen Schmier geld gelaufen sein könnten. Die Kontonummer kam Belsey verdammt bekannt vor. Er gab den Ordner zurück.
Immer noch bemühte niemand das Telefon. Und die Tür zum Konferenzraum blieb geschlossen. Beim Anblick von Devereux’ Kontonummer hatte er das Gefühl gehabt, als sei er über etwas Privates gestolpert, über Einzelheiten aus einem Traum, von dem er nie jemandem erzählt hatte. Aber sein Traum hatte Mitwisser. Und diese Menschen glaubten, dass weit unter der oberen Geldschicht eine tiefere Schicht aus illegalen Einkünften schlummerte.
Die Tür zum Konferenzraum ging auf. Chief Inspector Walker erschien. Sein Gesicht war blass und angespannt.
»Kann mir jemand sagen, warum Pierce Buckingham am vergangenen Wochenende versucht hat, binnen vierund zwanzig Stunden achtunddreißig Millionen Pfund aufzu treiben?«
45
Belsey verließ den Raum. Er ging durch den Gang, bis er ein leeres Büro entdeckte, nahm den Telefonhörer ab und wählte die Neun, um nach draußen telefonieren zu können. Als er das Freizeichen hörte, rief er die Raiffeisen Zentralbank an. Achtunddreißig Millionen , dachte er. Er schaute sich in dem Büro um. An der Wand hing eine Schautafel, auf der Investmentbanken und Besitzverhältnisse von Unternehmen, eine Namensliste und anhängige Verdachtsmeldungen wegen Geldwäsche verzeichnet waren. Das Büro gehörte zur Abteilung Wirtschaftskriminalität. Er lachte. Die Raiffeisenbank meldete sich nach dem dritten Klingeln.
»Guten Tag«, sagte Belsey.
»Guten Abend. Dürfte ich um Ihre Kontonummer bitten, Sir?« Diesmal war ein Mann am Apparat. Belsey war unverfroren, hatte aber nicht das Gefühl, unvorsichtig zu handeln. Was konnte unauffälliger sein, als von einem Büro für Wirtschaftskriminalität eine österreichische Bank anzurufen? Niemand würde je erfahren, dass er in diesem Büro gewesen war.
»Mr Alexei Devereux?«, sagte der Mann.
»Richtig.«
»Ihr Passwort bitte?«
»Jessica«, sagte Belsey. Er buchstabierte. Dann wartete er.
»Danke, Sekunde bitte.« Belsey wagte kaum zu atmen. »Ich hole mir gerade Ihre Daten auf den Schirm«, sagte der Mann.
Belsey schlug das Herz bis zum Hals. Dann ging die Tür auf, und vier Beamte betraten das Büro. Sie runzelten die Stirn, als sie ihn sahen. Er legte auf.
»Meine Frau ist ziemlich sauer«, sagte Belsey.
Triumphierend, wie besoffen, fuhr er zurück nach Nordlondon. Er sah seine Zukunft vor sich, eine verschwenderische Zukunft. Was für ein dämliches Passwort. Die Menschen glauben, ihre Obsessionen seien ihre größten Geheimnisse. Aber sie haben alle die gleichen. Nichts ist offensichtlicher als ein Geheimnis – als Detective lernt man das. Deshalb achtet man auf die banalen Dinge: welche Zigarettenmarke jemand raucht, wie er seinen Kaffee trinkt, alles, worüber sich niemand Gedanken macht.
Er ließ den Wagen auf der Straße vor Devereux’ Haus stehen, rannte ins Arbeitszimmer, rief die österreichische Bank an und gab noch einmal das Passwort durch.
»Ja, Sir?«
»Ich möchte eine Überweisung auf ein Firmenkonto bei der Bank of the South Pacific vornehmen.«
»Wie viel?«
»Alles. In Tranchen von zehntausend pro Tag, bis es leer ist.«
»Möchten Sie vorher eine Summe auf Ihr Konto ein zahlen?«
»Nein. Warum?«
»Der Kontostand beläuft sich im Moment auf zwei Euro.«
»Zwei Euro?«
»Ja, Sir.«
Belsey legte auf. Er schenkte sich einen Drink ein. Sein Fantasiegebilde stürzte krachend in sich zusammen und hinterließ eine schreckliche Stille.
Die amerikanische Börsenaufsicht hatte ihren Sitz in Atlanta. Dort war es jetzt neun Uhr abends. Belsey dachte an das Memo, das er in der Wood Street gesehen hatte, und fragte sich, was sie über Devereux’ Geheimkonto in Österreich
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