London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
ein Lieferwagen vom Evening Standard , auf dessen Seite die Schlagzeile »Amoklauf in Hampstead« prangte. Ein Stapel Zeitungen knallte neben einem Verkaufsstand auf den Boden, und ein Passant zupfte sich, ohne den Schritt zu verlangsamen, eine Ausgabe heraus. Belsey bewunderte den Augenblick: die Stadt als Ma schine, eingefangen in einem faszinierenden, morbiden Rhythmus. Er nahm sich ebenfalls eine Ausgabe und fing an zu lesen.
»Einem bewaffneten Überfall auf eine Starbucks-Filiale im Nordwesten Londons fiel heute Morgen eine Schülerin aus Hampstead zum Opfer …« Sie hielten sich an die offizielle Sprachregelung und betonten ihre herausragenden schulischen Leistungen und allgemeine Beliebtheit. Die Schule befinde sich im Schockzustand, Psychologen kümmerten sich um ihre Mitschülerinnen. Der Artikel enthielt kein Foto von Jessica.
Er ging weiter durch die Hampstead High Street Richtung Einsatzzentrale.
Die Zentrale hatte ihren Rhythmus gefunden, sie brodelte nicht mehr auf voller Flamme, sondern erledigte ihre Arbeit bei moderater Hitze. Von ihrem Epizentrum ausgehend, zog die Untersuchung immer weitere Kreise. Belsey hielt nach June Glasgow Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken.
»Wissen Sie, wo Detective Inspector Glasgow ist?«
»Draußen. Sie ist gerade mit ein paar Zeugenvernehmungen fertig geworden.«
Auf dem Schreibtisch des Ermittlungsleiters stand eine Kanne Kaffee. Belsey schenkte zwei Tassen ein und ging damit nach draußen. Glasgow lehnte gedankenversunken an der Kirchenwand.
»Nick«, sagte sie. Er gab ihr einen Kaffee. »Genau das Richtige jetzt.«
»Bei den Interviews irgendwas Erfreuliches herausge kommen?«
»Bis jetzt reine Zeitverschwendung.« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Spinner.« Sie gab ihm eine Zigarette und Feuer. »Man hat mich zu einem Haufen Scheiße abkommandiert«, sagte sie.
»Sieht ganz so aus.«
»Northwood schafft an.«
»Das darf er.«
»Aber er ist kein leitender Ermittlungsbeamter. Er sollte nicht die Richtung vorgeben. Warst du bei der Pressekonferenz? Jetzt haben wir fünfzehn Zeitungen am Hals, die alle die Bandentheorie auf dem Titel haben.«
»Was sind eure Ansatzpunkte?«
»Wir haben keine. Das ist der Punkt. Das sollte uns doch zu denken geben.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, dass du recht hast. Es war kein Raubüberfall. Aber ich habe keinen Schimmer, was es sonst war. So was habe ich noch nie erlebt.«
»Aber du hast ein paar Vermutungen, oder?«
»Nichts, was irgendwie logisch wäre, besser man ver schwendet keine Zeit damit. Ein paar Cracksüchtige vielleicht.«
»Cracksüchtige sind ziemlich auffällig. Die Zeugen wür den Schlange stehen von Charing Cross bis Highgate.«
»Psychos.«
»Das Gleiche.«
»Was denkst du, Nick?« Sie hatte das Spiel satt.
»Ein Attentat«, sagte Belsey.
»Auf wen?«
»Wer war alles in dem Café?«
»Eine fünfundsiebzigjährige Frau, die nebenan im Krankenhaus ihre Schwester besuchen wollte. Ein Putzmann aus Uganda auf dem Weg zur Arbeit. Ein chinesischer Student, einundzwanzig, der seit zwei Monaten bei Starbucks arbeitet. Die Filialleiterin, eine Polin auf der Karriereleiter ins Starbucks-Management, und eine Schülerin, die zur falschen Zeit am falschen Ort war. Wir haben alle überprüft. Keine Vorstrafen, keine verdächtigen Verbindungen.«
»Nur auf eine wurde geschossen.«
»Die Schülerin?« Sie wedelte ein brennendes Streichholz aus und ließ es fallen. Belsey wusste, was sie dachte: So eine Spekulation würde es innerhalb der Kommandostruktur, in die sie eingebunden war, nicht weit nach oben schaffen. Ein anscheinend höherer Beamter in Zivil kam aus dem Hinter eingang der Kirche und ging die Steinstufen zur Straße hi nunter. Er zwinkerte Glasgow zu.
»Bin mal kurz im Magdala«, sagte er und machte mit einer Hand eine Trinkbewegung. Glasgow hob beiläufig den Daumen. Belsey schaute ihm hinterher.
»Wer war das?«
»Ken Barber. Dezernat Waffenkriminalität«, sagte Glas gow. Sie grübelte immer noch über Belseys Theorie nach. »Du meinst also, das war ein Attentat auf Jessica Holden.«
»Ist es vollkommen ausgeschlossen, dass es irgendwelche Verbindungen gibt?«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel zu Leuten mit Vorstrafen, zu irgendeinem Schlamassel.«
»Nein.« Glasgow schaute Belsey an. »Ich hab gehört, du steckst selbst im Schlamassel«, sagte sie, als ginge es hier um Belseys psychische Gesundheit.
»Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Ich wollte dich mit an Bord
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