London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
schwarzes Kostüm und pflaumenrot lackierte Fingernägel. Kein Schmuck, nicht mal ein Ehering, obwohl Belsey zufällig wusste, dass sie mit einer jungen Frau aus dem Innenministerium liiert war. Aber sie war so wortkarg wie im Verhörraum. Das war ihr zur zweiten Natur geworden: Lass dir nie in die Karten schauen.
»In welche Richtung laufen die Ermittlungen?«, fragte Belsey.
»Raubüberfall«, sagte Shipton. Er sah verfroren aus. Seine Hände steckten tief in den Manteltaschen.
»Das war kein Raubüberfall«, sagte Belsey.
»Er hat gerufen: ›Das ist ein Raubüberfall‹.«
»Wer?«
»Der geschossen hat, der junge Bursche.«
»Ich dachte, es sei eine ganze Bande gewesen.«
»Das ist noch nicht klar. Vorher hatte sich eine Gang in der Gegend rumgetrieben, in Gospel Oak.«
»Jesus Christus.« Belsey ahnte, dass da eine von ihren eige nen Fehlern angetriebene Ermittlung aus dem Ruder lief. Wäre nicht das erste Mal. Glasgow musterte sein Gesicht mit der Neugier eines guten Detectives und zündete sich eine Silk Cut an.
»Was ist mit der Überwachungskamera?«, fragte Belsey.
»Da ist nichts Genaues zu erkennen«, sagte Shipton.
»Ein junger Bursche ballert in einem Starbucks rum, und die Überwachungskameras kriegen das nicht mit?« Belsey schüttelte den Kopf.
»Die Leute haben ihn gesehen. Er hat gesagt: ›Mach die Kasse auf‹.«
»Wer sagt das?«
»Wir hatten schon ähnliche Fälle«, sagte Shipton. »Kentucky Fried Chicken zum Beispiel …« Er klang nicht besonders überzeugt.
»Und was hätte da für ihn rausspringen sollen?«, sagte Belsey. »Muffins? Wie viel haben die in der Kasse?«
»Höchstens hundert, aber das kann er ja nicht wissen.«
»Wie ist er geflohen?«
»Zu Fuß.«
»Nachdem er da rumgeballert hat? Munroe hat was von einem roten Motorrad erzählt? Was ist damit?«
»Ich weiß nichts von einem roten Motorrad.«
Belsey wand sich innerlich. Kommunikationsdesaster. So vergeudete man Stunden und erheiterte die Verbrecher.
»Das war kein junger Bursche, und das war auch kein Raubüberfall.«
»Sondern?«
»Und warum interessierst du dich dafür?«, fragte Glasgow spitz.
»Warum ich mich dafür interessiere?«
»Warum bist du uns nicht zugeteilt?«
»Man hat mich auf andere Sachen angesetzt.«
Anscheinend fand das niemand ungewöhnlich. Auch schien niemand sonderlich betrübt zu sein. Sie drückten Zigaretten aus, schüttelten den Kopf, schauten auf die Uhr.
»Woher kam das Mädchen, wo war sie, bevor sie ins Starbucks ging?«, fragte Belsey.
»Man hat sie früher mal in der Nähe vom Kenwood House gesehen.«
»Wo genau?«
»Bishops Avenue«, sagte Glasgow. Belsey holte tief Luft. Er fühlte sich ertappt. Glasgow schaute ihm in die Augen.
»War sie allein?«, fragte er.
»Anscheinend.«
»Was hat sie in der Bishops Avenue gemacht?«
»Keine Ahnung, vielleicht ist sie einfach spazieren gegangen. Wir klappern später noch die Anwohner ab.«
»Wann später?«
»Sobald wir genug Leute haben.«
»Gebt ihr die Information raus?«
»Frag Northwood.«
Belsey nahm sich eine Zigarette aus Glasgows Packung und zündete sie sich mit seinem Zippo an.
»Die Bishops liegt nicht auf ihrem Schulweg«, sagte Belsey leise – mehr zu sich selbst als zu jemand anders.
25
Etwa einmal die Woche tauchte immer derselbe Mann im Heath auf und entblößte sich. Das CID verfolgte den Fall schon seit einiger Zeit. Niemand kümmerte sich ernsthaft um Exhibitionisten, bevor es keine Hinweise dafür gab, dass sie schwerwiegendere Sexualstraftaten begingen. Perversionen wurden immer seltener gemeldet. Jetzt war der Exhibitionist wieder in Aktion getreten. Er wurde dreister. Jeder wusste, dass diese Vorfälle sich immer nur in eine Richtung entwickelten. Als Belsey ins Revier kam, wurde er auf den Fall angesetzt. Das Büro war ausgestorben, auf seinem Schreibtisch lag nur die knappe Notiz: Heath-Exhibitionist, 11:30 .
Drei Stunden alt. Belsey zerriss die Nachricht. Der Auf trag kam ihm vor wie ein kalkulierter Affront. Aber vielleicht, dachte er, erwies er sich auch als Segen. Schwere graue Wolken waren aufgezogen, die sich Richtung Norden bewegten. Wenn der Regen einsetzte, würde es im Heath menschenleer sein. Er könnte herumstreunen und über alles nachdenken.
Er saß hinter der Spaniard’s Road unter einer Eiche mitten im Park und wartete auf das Ende des Schauers. Er merkte erst jetzt, wie nötig er diese Zeit zum Nachdenken gehabt hatte. Bilder tauchten wieder auf. Die Augen des
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