London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
einzige.
Belsey ging zum Laden der somalischen Brüder und kaufte alle Zeitungen, die sie hatten. Samstag, 14. Februar. Valentinstag. Auf der Titelseite des Telegrap h : ein Foto mit Blumen zwischen den Glasscherben. Ein Bild mit der strahlenden Jessica auf einem Schulausflug. Sie hatten beschlossen, dass Schauspielerei und Tanzen ihre Hobbys gewesen waren und dass sie Lehrerin werden wollte. Die Schule plante eine Gedenkfeier. Der chinesische Student war inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die Einwanderungspapiere des Mannes aus Ugnada wurden unter die Lupe genommen. Die Polizei suchte nach einem jungen Mann, der asiatisch oder nordafrikanisch aussah, aber sogar die Boulevardblätter zögerten, das auszuschlachten. Sie brachten eine Karte mit der mutmaßlichen Fluchtroute. Demnach wäre er direkt an Belsey vorbeigelaufen. Das war er nicht.
In einer Spalte am Rand brachten sie ein subjektiveres Fea ture: »Wie ein friedlicher Morgen in einem Gemetzel endete« . »Sharon Green war mit ihren beiden Söhnen auf dem Weg zur Kinderkrippe, als sie die Schüsse hörte …« Es folgten Zitate von bekannten Personen aus dem Viertel, von ehemaligen Models und von politischen Aktivisten aus Hampstead, die sich einig waren, dass sie einen derartigen Vorfall überall für möglich gehalten hätten, nur nicht in NW3. »Das schattige Hampstead«, hieß es immer wieder in den Zeitungen, bis man sich fragte, was die Schatten mit der Sache zu tun hatten.
Noch hatten sie sich kein Motiv zusammengereimt. Die Revolverblätter füllten ihre Spalten mit Opfergeschichten und warteten schon gierig darauf, eine Hasskampagne los treten zu können. Die Polizei gab nervöse Stellungnahmen über die Kultur der »Ehrenmorde« unter Londoner Jugendbanden ab und veröffentlichte das Phantombild eines Man nes mit kantigem Kinn, grauer Gesichtsfarbe und tief liegenden Augen. Da hatte jemand das Phantombild seiner eigenen Albträume gezeichnet.
Belsey zog Kovars Visitenkarte aus der Tasche. Max Kovar stand darauf, sonst nichts, als wäre die Nennung eines Berufs oder einer Firma überflüssig. Belsey ging ins CID-Büro und blätterte seine Rollkartei durch. Dann rief er einen Freund in der Branch Intelligence Unit an – der Nachrichtendienst innerhalb des Specialist Crime Directorate, das sich mit Schwerverbrechen befasst. Sie hatten früher zusammen Fußball gespielt. Sie spielten schmutzig. Und sie hatten Verbindungen. Sie spielten mit Leuten, die keine Polizisten waren, die sich als Diener des Staates bezeichneten, was Belsey als Umschreibung für den Inlandsgeheimdienst MI5 verstand. Die Telefonzentrale der Abteilung verband ihn mit Detective Sergeant Terry Borman.
»Terry«, sagte Belsey. »Du bist früh auf heute.«
»Falsch, ich sitz schon ewig hier. Ist mal wieder einer dieser Tage. Was kann ich für dich tun?«
»Wenn ich zufällig einem gewissen Max Kovar über den Weg laufen würde, hättest du Interesse?«
»Der Name sagt mir was.«
»Sagt er dir vielleicht noch etwas mehr?«
»Ich ruf dich zurück.«
Genau das hatte Belsey erwartet. Terry würde einen Blick in den Computer werfen, aber er würde auch überprüfen, ob er sich die Finger verbrennen könnte. Wenn sie an den Rändern des großen grauen Schattengebildes namens Geheimdienst operierten, dann wurden auch Männer wie Terry Borman plötzlich einsilbig.
Zehn Minuten später rief Borman zurück.
»Was interessiert dich genau?«
»Gib mir einen kurzen Überblick.«
»Spekulant. Markiert den großen Macker. Hat in den Achtzigern in Kupferminen investiert und einen Haufen Geld damit gemacht. Der Name taucht in diversen Kor ruptionsfällen auf: unappetitliche Verbindungen nach Peru, hässliche Geschichten an der Elfenbeinküste. Füttert mit seiner Kohle bevorzugt Bankkonten von Regierungsbeamten und versorgt loyale Freunde mit Waffen. Aber seine große Leidenschaft sind Rennpferde, Nick. Kovar hält sich oft in England auf und kümmert sich um seine Vollblüter. Er unter-hält einen großen Rennstall und besitzt ein Landgut in Gloucestershire.«
»Was weißt du über aktuelle Geschäfte?«
»Nichts. In den letzten Jahren hat er einen Haufen Kapital in die Neuen Medien und in Glücksspiel gesteckt.«
»Okay.«
»Spielst du noch Fußball? Ich hab neulich versucht, dich zu erreichen.«
»Ich hab mein Handy verloren.«
»Wir haben am Sonntag ein Match gegen die Sitte. Wir brauchen deinen Antritt.«
»Ich bin im Moment nicht fit, Terry.«
»Wir brauchen
Weitere Kostenlose Bücher