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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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man in London belauschen kann, werden an der Bushaltestelle vor dem Poundland in Kilburn geführt. Keine Ursache.
    Aber Lauschen allein reichte nicht. Natalie Blake wollte diese Menschen kennenlernen. Sich intim mit ihnen befassen.
    Unterdessen:
    Sowohl in Natalies als auch in Franks Büro befassten sich alle Kollegen intim mit dem Leben einer Gruppe Afroamerikaner, fast nur Männer, die auf den Grünflächen zwischen einer Reihe architektonisch scheußlicher Wohnsilos in einer krisengeschüttelten und vergessenen Stadt mit einer der höchsten Mordraten der USA für zwanzig Dollar Crack vertickten. Obwohl er es nicht richtig begründen konnte, ärgerte es Frank, dass sich alle so intim mit dem Leben dieser jungen Männer befassten, und aus Protest schloss er sich und seine Frau von einem allen Berichten zufolge ekstatischen gemeinschaftlichen Fernseherlebnis aus.
    Unterdessen:
    Natalie Blake checkte ihre Anzeigen. Beantwortete ihre Antworten.
173. Auf dem Spielplatz
    Man raucht nicht auf einem Spielplatz. Das liegt doch auf der Hand. Jeder halbwegs zivilisierte Mensch sollte das wissen.
    Ja, bestätigte Natalie. Ja, allerdings.
    Raucht er immer noch? Fragte die ältere Dame, eine Weiße.
    Natalie beugte sich auf der Bank vor. Er rauchte immer noch. Um die achtzehn. Er war mit zwei anderen Jugendlichen da: einem Weißen mit schrecklicher Akne und einem bildhübschen Mädchen in grauem Trainingsanzug und neongelben Nikes. Das Mädchen machte das, was Natalie und ihre Freundinnen früher als »rumlümmeln« oder »rumgammeln« bezeichnet hatten – sprich: Sie saß zwischen den Beinen des Jungen, die Ellbogen auf seinen Knien, in träger, sommerlicher Innigkeit. Und sie sahen auch richtig nett zusammen aus, wie sie da auf dem Karussell hockten. Aber es ließ sich nicht wegreden: Der rauchende Junge stand auch auf dem Kinderkarussell. Und rauchte.
    Denen werde ich mal den Marsch blasen. Sagte die ältere Dame. Die sind doch alle aus dieser verflixten Siedlung.
    Die alte Dame zog los, und im selben Moment kam Naomi vom Planschbecken herangerannt, stürzte ihrer Mutter in die Arme und rief HANDTUCH HANDTUCH HANDTUCH. Und falls Sie sich fragen: Ja, es war tatsächlich noch dasselbe Becken, in dem sich viele Jahre zuvor das dramatische Ereignis abgespielt hatte. Natalie Blake wickelte ihre Tochter in ein Handtuch und zog ihr die Plastiksandalen an.
    Die alte Dame kam zurück.
    Raucht er immer noch? Er war sehr unhöflich zu mir.
    Ja. Sagte Natalie Blake. Er raucht noch.
    MACHEN SIE DIE AUS . Rief die alte Dame.
    Natalie nahm Naomi auf den Arm und ging zum Karussell hinüber. Unterwegs gesellte sich eine Dame mittleren Alters zu ihnen, eine eindrucksvolle Rastafrau mit einem riesigen Zuluhut. Beide blieben vor dem Karussell stehen. Die Rastafrau verschränkte die Arme vor der Brust.
    Du musst die Zigarette ausmachen. Das hier ist ein Spielplatz. Sagte Natalie.
    Und zwar JETZT. Sagte die Rastafrau. Ihr habt hier sowieso nichts verloren. Ich hab gehört, wie ihr eben mit der Dame geredet habt. Die Dame ist älter als ihr. Ihr solltet euch was schämen.
    Mach einfach die Zigarette aus. Sagte Natalie. Ich habe mein Kind hier. Sagte Natalie, obwohl sie eigentlich keine größeren Probleme mit Passivrauchen hatte, vor allem nicht draußen an der frischen Luft.
    Pass auf, wenn mir einer dumm kommt, sagte der Junge, dann sag ich dem, er soll sich verpissen. Hat die etwa nett mit mir geredet? Sag jetzt nichts Falsches, das haben nämlich alle gehört, und nein, hat sie nicht.
    AUF EINEM KINDERSPIELPLATZ RAUCHT MAN NICHT. Rief die ältere Dame. Von der Bank herüber.
    Aber was macht sie mich so blöd an? Fragte der Junge.
    Das ist ihr gutes Recht! Beharrte die Rastafrau.
    Mach sie doch einfach aus. Sagte Natalie. Das ist ein Spielplatz.
    Pass mal auf, ich bin nicht so wie ihr hier. Das ist nicht meine Szene. Wir sind nicht so wie ihr hier. In Queen’s Park. Also pimmelt euch mal nicht auf. Ich bin aus Hackney, klar.
    Das war kein kluger Schachzug, rhetorisch gesehen. Selbst das lümmelnde Mädchen stöhnte.
    Oh NEE . Sagte die Rastafrau. Nee, so läuft das nicht. Nee nee nee. Was bist du denn für ein Witzbold? Ich bin aus Hackney? Klar? KLAR ? Pass mal auf, mit denen da kannst du’s ja machen, aber mit mir machst du das nicht, Freundchen. Ich kenn dich. Und zwar ganz genau. Ich bin nämlich auch nicht aus Queen’s Park, Schätzchen, ich bin aus HARLESDEN – ausgebildete Jugendsozialarbeiterin. Seit zwanzig Jahren. Und ich schäme

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