Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
Vom Netzwerk:
konnte nur vermuten, dass er sich auf ein früheres Gespräch bezog, das etliche Wochen zurücklag. Folglich musste er meinen: »Schlag die Praktiken der CIA nach, verarmte Schwarzenviertel mit Crack zu überschwemmen, und du wirst sehen, dass ich recht habe.« Aber wie? Und wo?)
20. Sony-Walkman, die zweite
    Dass zwei so unterschiedliche Persönlichkeiten wie ihre Mutter und Onkel Jeffrey dieselbe Meinung vertraten, gab dieser Meinung ein gewisses Gewicht. Aber es würde doch sicher keiner Keisha Blake das aktuelle Glück missgönnen, zur Musik zu denken? Ach, dieser Freiluft-Soundtrack! Ach, dieses musikuntermalte Dasein!
21. Jane Eyre
    Wenn sie gequält wurde, fand Keisha Blake es äußerst hilfreich, sich die einschlägige Literatur und die zweckdienlichen Filme zu vergegenwärtigen, die einen rasch lehrten, dass Gequältwerden praktisch gleichbedeutend war mit einer überlegenen Persönlichkeit, und je heftiger man gequält wurde, desto sicherer wurde einem das am anderen Ende des Lebens vergolten, wenn Qualitäten, wie Keisha Blake sie besaß – Klugheit, Wille zur Macht –, sich auszahlten, und das galt auch dann noch, wenn die Leute aus der Literatur und den Filmen ganz anders aussahen als man selbst, aus anderen sozioökonomischen und historischen Welten stammten und einen – wenn sie einem je begegnet wären – vermutlich versklavt oder bestenfalls genauso sehr gequält hätten, wie Lorna Mackenzie es tat, die einfach nicht damit umgehen konnte, wenn man sich benahm, als wäre man besser als die anderen.
22. Zitat
    Weitere Belege dieses Prinzips fanden sich außerdem in der Bibel.
23. Spectrum 128k
    Zum vierzehnten Geburtstag bekam Leah einen Heimcomputer. Keisha Blake las die beigefügte Anleitung und fand heraus, wie man eine Reihe grundlegender Befehle so programmieren konnte, dass auf bestimmte Eingaben hin Text auf dem Monitor erschien, als würde der Computer mit einem »reden«. Sie schrieben ein Programm für Mr Hanwell:
    >> WIE HEISST DU ?
    »Und das soll ich jetzt da reinschreiben? Da komme ich mir aber richtig albern vor.«
    >> COLIN ALBERT HANWELL
    >> FREUT MICH, DICH KENNENZULERNEN , COLIN .
    »Das ist ja allerhand! Hast du das gemacht, Keisha? Wie macht ihr so was bloß? Ihr seid mir ja langsam haushoch überlegen. Pauline, komm und sieh dir das an, das glaubst du nicht!«
    Nachdem sie die Hanwells ausreichend beeindruckt hatten, schrieben sie noch ein Programm zu ihrer eigenen Erbauung:
    >> WIE HEISST DU ?
    >> LEAH HANWELL
    >> ACH JA? INTERESSIERT MICH NEN SCHEISSDRECK .
24. Die 37
    Sonntags ging Keisha Blake mit der ganzen Familie, außer Cheryl, in die Pfingstgemeinde von Kilburn, und Leah kam häufig mit, nicht weil sie in irgendeiner Form gläubig gewesen wäre, sondern vielmehr aufgrund der oben geschilderten inneren Großzügigkeit. Jetzt, wo die Mädchen vierzehn waren, kristallisierte sich ein neues Muster heraus. Wenn sie an die Ecke mit dem McDonald’s kamen, sagte Leah Hanwell zu Keisha Blake: »Weißt du, ich glaube, ich nehme vielleicht doch die 37 und fahre zum Lock und treffe die Leute dort.« »Meinetwegen«, sagte Keisha Blake. Den Sommer über hatte es Bestrebungen gegeben, die Leute dort am Camden Lock mit den Leuten hier in Caldwell zusammenzubringen, doch Keisha Blake interessierte sich nicht sonderlich für Baudelaire oder für Bukowski oder für Nick Drake oder für Sonic Youth oder für Joy Division oder für Jungs, die aussahen wie Mädchen und umgekehrt, oder für Anne Rice oder für William Burroughs oder für Kafkas Verwandlung oder für die Anti-Atomkraft-Bewegung oder für Glastonbury oder für die Situationisten oder für Außer Atem oder für Samuel Beckett oder für Andy Warhol oder für die tausend anderen Camden-Themen, und als Keisha mit einer traumhaften Monie-Love-Single ankam, um sie Leah auf deren Stereoanlage vorzuspielen, war es ziemlich furchtbar, wie Leah errötete und einräumte, man könne darauf bestimmt gut tanzen. Ihnen blieb nur noch Prince, und auch der nutzte sich langsam ab.
25. Vivre sa vie
    Die plötzlichen und drastischen Abweichungen in ihren Vorlieben erschreckten Keisha, und sie hielt eisern an der Überzeugung fest, dass Leahs neue Vorlieben nur aufgesetzt seien, nichts mit dem Kern ihres Wesens zu tun haben könnten und hauptsächlich dazu dienten, ihre älteste Freundin zu ärgern. »Ruf mich nachher an«, sagte Leah Hanwell und sprang hinten auf den Bus auf. Keisha Blake, deren viel gerühmte Willenskraft und Zielstrebigkeit

Weitere Kostenlose Bücher