London NW: Roman (German Edition)
Party-Aufputschmittel Ecstasy, und Keisha war nicht so zuversichtlich zu glauben, dass sie selbst an diesem Leben teilhaben und gleichzeitig die Prüfungen bestehen konnte, deren Bedeutung sie allmählich begriff. Dieses Begreifen verdankte sich zumindest teilweise dem Besuch und den Bemühungen einer Berufsberaterin. Aufgemerkt, Leser! Eine junge Frau aus Barbados, noch neu in ihrem Job, voller Optimismus. Der Name tut nichts zur Sache. Sie war vor allem von Rodney beeindruckt, nahm ihn ernst und hörte aufmerksam zu, wenn er von Jura redete. Schwer zu sagen, wie Rodney Banks überhaupt auf den Begriff »Jura« gekommen war. Seine Mutter arbeitete in einer Schulkantine. Sein Vater war Busfahrer.
41. Einschub
(Viele Lebensjahre später kam es Keisha Blake bei einem langen Gang durch Nordwest-London in den Sinn, dass der junge Mann, den sie in eine lustige Anekdote zum Einsatz bei Abendeinladungen verwandelt hatte, in vieler Hinsicht ein wahres Wunder an Selbsterschaffung gewesen war, ein junger Mann von ungeheurer Willenskraft, die ihre bei Weitem übertraf.)
42. Gute Wahl / Keine Wahl
Die Barbadierin erklärte Keisha Blake und Rodney Banks, sie bräuchten einen Plan. Allen dreien war klar, dass Marcia Blake ihren eigenen Plan hatte: einen einjährigen Kurs in Betriebswirtschaft an der sogenannten »Coles Academy«, im Grunde nicht mehr als eine Büroetage über dem alten Woolworths an der Kilburn High Road. Ein zwielichtiger Laden, eine Anstalt ohne Akkreditierung, in der ein nairobianischer Bekannter von Pastor Akinwande unterrichtete und die es unnötig machte, zu Hause auszuziehen.
43. Contra
Die Berufsberaterin aus Barbados wählte für Keisha Blake und Rodney Banks fünf universitäre Einrichtungen aus – dieselben fünf: Sie hatten beschlossen, dass sie sich nicht trennen konnten – und half ihnen, die nötigen Formulare auszufüllen. In Keishas Auftrag schrieb sie Marcia einen Brief. Es wird nichts kosten. Sie bekommt ein umfassendes staatliches Stipendium. Es gibt dort eine Kirche. Der Zug fährt direkt durch, ihr kann nichts passieren, und sie ist nicht allein. Keisha Blake bekam den Auftrag, diese Beruhigungskampagne den ganzen Winter über weiterzuführen. Rodney sollte mit Christine, seiner Mutter, ebenso verfahren. Keisha rechnete nicht damit, dass die Kampagnen Erfolg haben würden. Marcia war schon »auf dem Land« gewesen und hielt es nicht für ein sicheres Umfeld, sie zog London vor, wo man wenigstens wusste, woran man war. Dann wurde im April an einer Bushaltestelle in Eltham »dieser arme, wehrlose Junge« – wie Marcia ihn grundsätzlich nannte – erstochen, überwältigt von einer »Bande von Tieren«. Keisha Blake, Marcia Blake, Augustus Blake, Cheryl Blake und Jayden Blake versammelten sich alle um den Fernseher und sahen zu, wie die weißen Jugendlichen ungestraft das Gericht verließen und den Fotografen die Fäuste entgegenreckten. Der tote Junge wurde nach Jamaika gebracht und in Marcias Gemeinde beerdigt.
44. Nimmerwiedersehen mit Brideshead
Die Haustür war nicht abgeschlossen. Rodney marschierte direkt in Keisha und Cheryl Blakes Zimmer und sagte: »Wo ist er?«, und Keisha sagte: »Auf dem Bett«, und Rodney sagte: »Zeig ihn mir«, und Keisha zeigte ihm den eigenartigen Brief mit dem aufgestempelten Wappen und sagte: »Aber wenn du nicht gehst, geh ich auch nicht«, und Rodney sagte: »Lass mich doch erst mal lesen«, und Keisha sagte: »Es ist nur eine Einladung zum Auswahlgespräch. Ich geh nicht hin. Außerdem kostet das sicher wahnsinnig viel«, und Rodney sagte: »Wenn du reinkommst, zahlt das die Regierung. Weißt du das etwa nicht?«, und Cheryl sagte: »Jetzt haltet mal die Klappe, Mann, der Kleine schläft!«, und Keisha sagte: »Ich will da doch gar nicht hin!«, und Rodney sagte: »Kann ich das jetzt vielleicht mal lesen!«, und nachdem er es gelesen hatte, sprach er nicht mehr davon und Keisha Blake auch nicht. An diesem Abend gingen sie ins Swiss Cottage Odeon und sahen einen Film über einen Mann, der sich als Frau verkleidet, um auf seine Kinder aufpassen zu können, aus Gründen, die Keisha nicht mal im Ansatz verstand, weil sie viel zu abgelenkt war.
45. Ökonomie
Das Auswahlgespräch in Manchester war von zehn bis elf Uhr vormittags angesetzt. Um von der Euston Station in London nach Manchester zu kommen, hätte man einen Zug nehmen müssen, der lange vor halb zehn abfuhr. So eine Zugfahrt kostete hin und zurück einhundertdrei Pfund. Eine ähnlich
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