London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)
gab es nicht gerade wie Sand am Meer. Ich hatte bescheidene Ersparnisse, aber die waren für Coles Ausbildung bestimmt, nicht um unsere alltäglichen Ausgaben davon zu bestreiten, während ich mir einen neuen Job suchte.
»Scheiße!«, fluchte ich. Tränen brannten mir in den Augen. Ich stieß mich vom Zaun ab und schaute den Weg zurück, den ich gekommen war. Ich spürte die Blicke der Passanten auf mir. Sie merkten sofort, dass etwas mit mir nicht stimmte, und fragten sich wahrscheinlich, ob ich Hilfe brauchte. »Ich muss zurück.« Ich ging zwei Schritte, dann blieb ich stehen und ballte die Fäuste.
Mein Stolz verbot mir zurückzugehen.
Mein Stolz ?
Ich lachte hysterisch und presste mir dann die Fäuste in den Magen, weil ich Angst hatte, mich übergeben zu müssen.
Ich konnte nicht zurückgehen. Und Meikle würde mich sowieso nie im Leben wieder einstellen – nicht nach dem, was ich ihm gerade an den Kopf geworfen hatte.
»O Gott.« Ich fuhr mir mit zitternden Fingern durchs Haar und atmete so tief ein, wie ich nur konnte.
Und dann dämmerte es mir.
Das war alles Cams Schuld.
Weil ich mich körperlich zu ihm hingezogen fühlte, hatte ich einen wohlhabenden, netten, gutaussehenden Mann verlassen, von dem ich wusste, dass er mich gernhatte. Und jetzt hatte ich auch noch meinen Job gekündigt! Und weshalb? Weil Cam mit seinem Charme mir eingeredet hatte, dass ich etwas Besonderes war? Weil er dafür gesorgt hatte, dass ich ein positiveres Selbstbild hatte? Wie wäre es zur Abwechslung mal mit etwas Handfestem? Wie wäre es, wenn er mir stattdessen endlich mal sagen würde, dass er mich liebte?
Es waren erst sechs Wochen, aber ich wusste, dass ich Cam liebte. Hätte er mich nicht auch lieben müssen? Es war ja nicht so, dass er nicht zur Liebe fähig gewesen wäre. Diese gottverdammte Blair hatte er schließlich auch geliebt!
Immer neue Tränen blieben in meinen Wimpern hängen. Wegen ihm versank mein ganzes Leben im Chaos. Wegen ihm traf ich überstürzte, dumme Entscheidungen, die jede Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft für Cole zunichtemachen würden.
O Gott … Cole.
Ich hatte zugelassen, dass Cole sich mit ihm anfreundete.
Wer machte denn so etwas?
Wer spielte nicht nur mit den eigenen Gefühlen russisches Roulette, sondern auch noch mit denen eines Kindes?
Ich musste etwas unternehmen. Auf der Stelle. Ich brauchte Abstand. Zeit, um alles zu überdenken, bevor es zu spät war.
Ich musste mit Cam sprechen.
Trotz meiner hohen Geschwindigkeit kam mir die Strecke, für die ich normalerweise vierzig Minuten benötigte, die ich aber nun in fünfundzwanzig zurücklegte, endlos lang vor. Als ich an Joss’ Haus in der Dublin Street vorbeikam, musste ich mich zwingen, nicht bei ihr zu klingeln. Vielleicht hätte es mir geholfen, mit einer Freundin über alles zu reden. Vielleicht hätte sich meine Verwirrung dann etwas gelegt, aber ich hatte Angst, dass Joss, die definitiv auf Camerons Seite stand, mich davon überzeugen würde, dass ich überreagierte.
Vielleicht stimmte das ja auch.
Irgendwo tief in meinem Innern wusste ich sogar ganz genau, dass es stimmte, aber im Moment waren Wut und Panik stärker als alle Vernunft.
Vernunft, die Joss höchstwahrscheinlich dazu benutzt hätte, mich umzustimmen. Im Moment allerdings war sie sowieso untergetaucht. Sie versteckte sich vor Ellie, weil deren Pläne für die Verlobungsfeier in vierzehn Tagen mittlerweile jeden Rahmen zu sprengen drohten. Joss’ Verstand war durch Ellies Partyplanungswahn akut explosionsgefährdet, deshalb ging sie, wie sie mir neulich abends auf der Arbeit anvertraut hatte, tagsüber grundsätzlich nicht mehr an die Tür. Fünf ganze Wochen, um eine Party vorzubereiten? Ich an Joss’ Stelle wäre auch auf Tauchstation gegangen.
Da ich niemanden hatte, der mich beruhigen konnte, und meine Gefühle Amok liefen, stürmte ich in unserem Haus im Laufschritt die Treppe hoch. Vor Cams Tür war ich völlig außer Atem, und möglicherweise hämmerte ich etwas fester an seine Tür, als streng genommen nötig gewesen wäre.
»Meine Gü …« Cam verstummte, als er mir öffnete und mich zerzaust und japsend auf der Schwelle stehen sah. »Jo? Was machst du … Wieso bist du nicht auf der Arbeit?«
Erstaunt registrierte ich seine Kleidung. Für seine Verhältnisse war er regelrecht herausgeputzt. Das Diesel-T-Shirt schien neu zu sein und saß ein wenig enger als seine anderen T-Shirts, so dass sich darunter die Konturen seiner Muskeln
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