London Road - Geheime Leidenschaft
richtig.«
»Das tut er auch nicht«, versicherte er mir. »Was du getan hast, war menschlich . Er weiß, dass du es aus Liebe getan hast.« Er legte mir die Hände auf die Schultern und zog mich ein Stück zu sich heran, woraufhin mir erneut der Atem stockte. Der Ausdruck in seinem Gesicht, ein Ausdruck, den ich nicht recht zu deuten vermochte, trug nicht gerade dazu bei, meine überspannten Nerven zu beruhigen. »Cole hätte genauso aufwachsen können wie du – ohne Eltern, ohne Fürsorge und Zuneigung. Du hast ihn davor bewahrt, Jo. Und das weiß er ganz genau.«
Alles, was heute ans Licht gekommen war, lastete schwer auf mir, und auf einmal wollte ich mich nur noch ins Bett legen und schlafen. »Danke, Cam.«
»Was du mir erzählt hast, bleibt unter uns. Du hast mein Wort.«
»Das, was du mir erzählt hast, auch.« Ich löste mich von ihm, weil ich ein bisschen Abstand brauchte. Plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke. »Ich weiß nicht, wie ich Cole jemals wieder mit ihr allein lassen soll.«
»Er ist stark. Er wird schon mit der Situation fertig werden.«
Ich stieß die Luft aus. »Er vielleicht. Aber ich?«
Cam lächelte mich an, als hielte er mich für vollkommen ahnungslos. »Jo, du bist wirklich die stärkste Frau, die ich kenne. Hab ein bisschen Vertrauen in dich selbst.«
Schweigen breitete sich zwischen uns aus, während ich seine Worte verdaute. Das war das Netteste, das je ein Mensch zu mir gesagt hatte, und ich verstand einfach nicht, wieso jemand, der so widerlich zu mir gewesen war, auf einmal eine Hundertachtziggraddrehung vollzogen hatte. »Warum warst du anfangs so gemein zu mir?«
Cam hob das Kinn ein Stück an, ein Zeichen dafür, dass er nach unserer gegenseitigen Lebensbeichte mit einer derart unverblümten Frage nicht gerechnet hatte. »Keine Ahnung … Ich …« Er fuhr sich mit den Fingern durch die zerzausten Haare, und sein Ring blinkte im Licht. Er hatte wunderschöne, männliche Hände. »Als ich dich mit Malcolm gesehen habe, dachte ich sofort, dass du so bist wie die Ex von meinem Onkel.«
»Aber wieso?«
Er zeigte grinsend auf mich. »Weil ich nicht glauben konnte, dass eine Frau wie du sich für einen älteren Typen wie Malcolm interessiert, es sei denn, er hat Geld.«
»Ein Kompliment und eine Beleidigung in einem. Hut ab, Cam.«
»Ich gebe mir Mühe.«
Ich schnitt eine Grimasse. »Und dann …?«
»Na ja, dann habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass du nicht auf den Kopf gefallen bist, und es hat mich einfach wütend gemacht, dass eine so kluge, attraktive Frau denkt, sie taugt zu nichts anderem als zur Zierde irgendeines reichen Kerls.«
»Weiter?«
Sein Blick gab mir zu verstehen, dass er mein Verhör ganz und gar nicht lustig fand. »Dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mich geirrt hatte. Dir schien wirklich viel an Malcolm zu liegen. Aber dann ist dieser Callum plötzlich beim Abendessen aufgetaucht. Ein Blick hat gereicht – er war eine jüngere Version von Malcolm –, und mir wurde klar, welche Art von Beziehungen du pflegst.«
Ich wandte den Kopf ab. »Verstehe.«
»Aber in Wahrheit« – erstaunt über seinen plötzlich sanften Tonfall, sah ich wieder zu ihm hin – »habe ich mich bloß maßlos darüber geärgert, dass du in Gegenwart dieser Typen ein komplett anderer Mensch warst.«
»Ein anderer Mensch?«
»Ja. Bei Joss und allen anderen – bei mir – bist du natürlich. Echt. Aber mit Malcolm oder Callum oder den Typen in der Bar, mit denen du flirtest, verhältst du dich vollkommen anders. Du bist nicht du selbst. Und dann dieses unerträgliche Kichern …«
Ich lachte schallend.
Cams Mundwinkel zuckten. »Du weißt es?«
»Joss hat’s mir mal gesagt. Es macht sie wahnsinnig. Manchmal kichere ich nur, um sie zu ärgern.«
Jetzt musste Cam ebenfalls lachen. »Tja, dein Plan geht auf. Dieses Kichern ist so was von nervtötend.«
Ein Gefühl, das ich nicht benennen konnte, ergriff Besitz von mir. Cam mochte mich wirklich. Er mochte mich . Ohne mein aufgesetztes Kichern. Genau wie Joss. »Ich gehe jetzt, Cam. Aber danke für alles, das du heute getan hast.«
Er schenkte mir ein warmes Lächeln, und ein hoffnungsvolles, aber zugleich spitzbübisches Funkeln trat in seine Augen. »Dann hast du mir also verziehen?«
Ich nickte, ohne zu zögern. Ich fühlte mich jetzt schon ein wenig befreiter, weil ich mich ihm anvertraut hatte, und da wir beide eine Art Beichte abgelegt hatten, bestand ein Gleichgewicht zwischen uns. Ich
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