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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wird.«
    Reusen. Das ewige Problem auf der Themse. Diesmal hatten Barnikels Netze zwar Bulls Schiff nicht beschädigt, doch allein ihr Anblick hatte den reichen Kaufmann erzürnt. Er sprach mit Silversleeves, der sich mit dem Kanzler in Verbindung setzte, und sofort wurde die Entfernung der Netze angeordnet, obwohl der Fischhändler eine beträchtliche Summe für das Recht, sie auszulegen, bezahlt hatte. Silversleeves wollte Bull gleich über alles informieren. In den letzten drei Monaten war Alderman Sampson Bull sein bester Freund geworden.
    Alles hatte ganz langsam, fast unmerklich begonnen. Zuerst hatte es nur vage Gerüchte gegeben, doch Silversleeves hatte die Zeichen verstanden, und im März war er sich dann sicher gewesen. Der Auslöser war Johann.
    Warum hatte König Richard seinem jüngeren Bruder gestattet, England zu betreten? Weil er ihn verachtete. Tatsächlich gab Johann, verglichen mit dem Rest der Familie, ein kümmerliches Bild ab. Sein Vater hatte seine Wutausbrüche zelebriert, Johann hatte nur epileptische Anfälle. Richard war groß, blond und heldenhaft, Johann gedrungen – er war kaum größer als einen Meter sechzig –, dunkelhaarig und obendrein auch kein glücklicher Soldat. Richard fürchtete ihn nicht, auch wenn er gelegentlich eine gewisse Schläue zeigte. Wie jeder Plantagenet beneidete Johann seinen Bruder um den Thron.
    Nach außen hin war er untätig. Richard war erst seit zwei Wochen abwesend, er versammelte seine Streitkräfte auf dem Festland. Johann verweilte indessen auf seinen großen Ländereien im Westen Englands. Es hieß, daß er sich vor allem der Falkenjagd hingebe. Aber Silversleeves ließ sich nicht täuschen. Er wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt, um zuzuschlagen, dachte er sich. Und er wußte auch, gegen wen sich dieser Angriff richten würde, nämlich gegen seinen Dienstherrn, gegen Longchamp.
    Dabei hatte anfangs alles bestens ausgesehen. Der Kanzler hatte brillante Erfolge verbuchen können und war in der Abwesenheit seines Herrn zum mächtigsten Mann Englands geworden. Für seine eifrigen Bemühungen war Pentecost schon mit beträchtlichen Lehen belohnt worden. Aber der Kanzler machte leider keinen Hehl aus der Verachtung, die er gegen einige der großen feudalen Familien hegte. »Und diese werden ihn stürzen«, erklärte Silversleeves seiner Frau.
    »Das dürfen sie nicht«, jammerte sie. »Er ist doch so wertvoll für uns!«
    Die Anzeichen waren gering, doch unheilverkündend. Wenn ein Ritter oder ein Baron sich mit dem Kanzler überworfen hatte, kamen bald darauf Berichte, daß der Betreffende Johann seine Aufwartung gemacht habe. Und es gab Gerüchte. Im Januar bemerkte ein Kaufmann Silversleeves gegenüber, daß sich Johanns Männer angeblich bereits in London aufhielten. Welch ein Glück, daß Silversleeves sich so gut mit Bull verstand!
    Es hatte mit einer zwanglosen Einladung in das Haus des Kaufmanns begonnen. Danach war man sich immer wieder einmal über den Weg gelaufen. Wenn Pentecost darüber nachgedacht hätte, wäre er wohl zu dem Schluß gekommen, daß Bull diese Freundschaft angestrebt hatte. Aber er dachte kaum darüber nach, er war einfach froh darüber. »Niemand weiß besser als er, was in der Stadt vor sich geht«, berichtete Silversleeves seiner Frau. »Ich denke, ich werde die Verbindung zu ihm pflegen.«
    Er versuchte sogar, sich mit der Familie des Alderman zu befreunden. Ida würde ihm zwar nie wirklich wohlgesonnen sein, aber sie war etwas besänftigt durch die Tatsache, daß er sich in letzter Zeit immer vor ihr verneigte und sie als Lady behandelte. Mit dem Jungen hatte er es leichter. Er zeigte ihm das Schatzamt und erklärte ihm, daß dort die Geschäfte des Königs abgewickelt würden. Bei Bull persönlich wuchs er schier über sich hinaus. Der heutige Vorfall mit den Reusen sollte den mächtigen Alderman einmal mehr davon überzeugen, daß er und sein Dienstherr, Longchamp, seine Freunde waren.
    Als Pentecost sich anschickte, das Haus der Barnikels zu verlassen, kam ihm plötzlich der kleine Junge an der Hand der Frau irgendwie bekannt vor. Nachdenklich runzelte er die Stirn, dann kam er auf den Grund dafür: Das Kind hatte eine weiße Haarsträhne.
    »Wer ist denn das?« fragte er, und Mabel erklärte es ihm.
    Gedankenversunken ging Pentecost zum Haus des Alderman. Er hatte nicht gewußt, daß Simon der Waffenschmied einen Sohn hinterlassen hatte, aber diese Neuigkeit kam ihm sehr gelegen. Er hatte noch eine Rechnung zu

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