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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sagte der Kronverwalter zögernd. »Aber der Mann, der beraubt worden ist, ist ein Lombarde.«
    »Ein Lombarde?« König Eduards Augen begannen sich zu verdüstern. »Keine Begnadigung. Ich will nicht, daß meine fremden Kaufleute belästigt werden.« Und damit war Bull entlassen.
    Mit dem Gefühl, versagt zu haben, und einem tiefen Mitleid mit dem Mädchen und seinem unglücklichen Verlobten ritt Bull langsam in die Stadt zurück. Er haßte es aufzugeben, aber er wußte nicht, was er noch tun sollte. In Aldwych stieß er auf eine Gruppe von Reitern. An dem Ort, wo früher einmal die Halle seiner Vorfahren stand, befanden sich nun einige sehr schöne, neue Gebäude. Unter dem vorigen König waren sie dem Onkel des Königs, dem italienischen Grafen von Savoyen, übergeben worden, und so hieß diese aristokratische Residenz jetzt Savoy-Palast. Vor dem Savoy-Palast waren die Reiter stehengeblieben, um ein paar Bekannte zu begrüßen. Es handelte sich um eine Gruppe von Londoner Aldermen, die wohl auf ihrem Weg zum Parlament waren, wie Bull gleich sah – eben die Kerle, die ihn und seine Freunde verdrängt hatten. »Wenn einer dieser verdammten Burschen den Kronverwalter um eine Begnadigung ersucht hätte, hätte er wahrscheinlich mehr Glück gehabt«, murmelte Bull grimmig.
    Eben wollte er sein Pferd wenden, um ihnen aus dem Weg zu gehen, als er in ihrer Mitte den verhaßten Barnikel entdeckte, den Mann, der den Monarchen vielleicht noch umstimmen konnte. Leise fluchte er vor sich hin. Das würde weh tun. Aber schließlich ging es um ein Menschenleben, tröstete er sich und ritt zu dem Fischhändler hin.
    »Noch jemand, der sich für diesen Jungen einsetzt?« Der König starrte Barnikel erstaunt an. »Wie kommt es denn, daß dieser Junge solche Freunde hat?«
    Aber Barnikel blieb standhaft. Zwar lag ihm nicht viel an Fleming, aber er wußte, was es den Patrizier Bull gekostet hatte, ihn um etwas zu bitten. Und wenn er nun erfolgreich war und damit einen weiteren Triumph über die Bulls feiern konnte, war es die Mühe schon wert.
    Der Monarch musterte Barnikel mit halb geschlossenen Augen. »Ihr wißt, daß auch Könige Gefallen nicht umsonst gewähren?«
    Barnikel nickte. »Ja, das weiß ich, Sire.«
    König Eduard lächelte. »Wir haben heute im Parlament noch viel zu tun«, sagte er. »Alderman Barnikel, ich verlasse mich auf Euch!«
    Der Fischhändler lächelte. »Jawohl, Sire.«
    Der König gab Barnikel einen seiner Beamten mit und empfahl ihnen, sich zu beeilen.
    Und so sprengten eine Viertelstunde später William Bull, Alderman Barnikel und ein königlicher Beamter zu der Hinrichtungsstätte. Ein höchst erstaunter Martin Fleming, der mit der Schlinge schon um den Hals unter der Ulme stand, vernahm den lauten Ruf: »Er ist vom König begnadigt worden!«
    Wenige Tage darauf fand in St. Mary-Overy in Southwark die Hochzeit von Martin und Joan Fleming statt. Inzwischen war Martin zwar wieder überzeugt von der Reinheit seiner Braut, doch erst nach einem langen Gespräch mit Bull hatte er sein Entsetzen über Joans Tun überwinden können. Doch weder seine noch ihre Familie hatten diesen Schlag verwunden; sie erschienen nicht zur Hochzeit. Also stand Alderman Barnikel neben Martin, und William Bull legte die Hand der Braut in seine; die beiden Dogget-Schwestern waren die Brautjungfern.
    Margery und Isobel Dogget verließen London am nächsten Tag, sie wollten nach Canterbury pilgern. Auf ihrer Reise benutzte Margery fleißig die Salbe, die der Doktor ihr gegeben hatte, und stellte schließlich überrascht fest, daß sie tatsächlich zu wirken schien.
    Das Parlament, das 1295 zusammenkam und aufgrund seiner breiten Zusammensetzung als »Model Parliament« bezeichnet wurde, brauchte bis Weihnachten, um seine Geschäfte erfolgreich zu beenden. Die Barone und Ritter gestanden dem König eine Steuer über den elften Teil ihrer beweglichen Güter zu, die Kirche den zehnten, und die Volksvertreter, die zweifellos von Alderman Barnikels leidenschaftlicher und loyaler Rede dazu veranlaßt wurden, einen großzügigen siebten Teil.
    Barnikel wäre sicher überrascht gewesen, wenn er erfahren hätte, daß Isobel Dogget an Weihnachten zu der Erkenntnis gelangte, daß er Vater werden würde. »Ich bin schwanger, und ich bin mir sicher, daß er es war«, erklärte sie ihrer Schwester.
    Kurz nach Weihnachten begann sich in Dionysius Silversleeves' Geschlechtsteilen ein Brennen bemerkbar zu machen. Er hatte mit Margery, nicht mit

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